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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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einzige Geräusch, das ihr Schluchzen unterbrach, war Johanssons nervöses Getrommel auf der Schnupftabakdose. Er wußte offenbar nicht, ob er es wagen sollte, sich zu bedienen.
    – Wie wir Ihnen schon geschrieben haben, sind wir unterwegs, um eine wissenschaftliche Untersuchung solcher Fälle zu machen. Wir hoffen ja, anderen Menschen helfen zu können, damit ihnen nicht dasselbe zustößt wie Ihrem Gatten. Ich verstehe, daß es für Sie nicht gerade angenehm ist, wieder daran denken zu müssen, aber wir würden Ihnen doch gern ein paar Fragen stellen.
    Sie sah auf, wieder ganz erstaunt.
    – Aber ich denke doch an nichts anderes.
    Das sagte sie ganz ruhig, plötzlich war sie wieder ganz ruhig.
    – Es wäre für uns sehr wichtig zu wissen, ob bei Arbeitskollegen Ihres Mannes ähnliche Symptome aufgetreten sind. Erinnern Sie sich da an irgend etwas, vielleicht an irgendwelche Namen, denen wir nachgehen könnten...
    – Aber sie haben doch alle darüber geklagt, sie seien so müde, daß sie sich kaum auf den Beinen halten könnten!
    – Moment, das ist jetzt sehr wichtig. Könnten Sie das bitte noch mal wiederholen, Frau Svensson, und nicht zu schnell, damit ich mitschreiben kann.
    – Ja. Wir haben ja da oben zu mehreren Familien im selben Haus gewohnt. Es war so ein Waldarbeiterhaus oder wie man das nennen soll. Und ein paar von den Männern dort machten ja dieselbe Arbeit. Sie haben schrecklich gejammert. Und mindestens noch einer von ihnen ist auch ins Krankenhaus gekommen.
    – Wie hieß er?
    – Ruotsalainen. Er wohnt noch da oben.
    – Jetzt komme ich zu einer sehr wichtigen Frage: Waren sie beide in derselben Rodung?
    – Nein. Es waren jede Woche ganz verschiedene Rodungen. Sie sind weitergezogen, sobald sie fertig waren.
    – Weitergezogen?
    – Ja, sie sind von einer Rodung zur andern gezogen.
    – Ich verstehe. Ich habe hier ein paar Karten. Jetzt geht es darum, ob Sie mir diese Rodungen zeigen können.
    – Ja wissen Sie, mit Karten kenne ich mich nicht besonders aus...
    – Aber schauen Sie mal her, wenn wir sagen, das hier ist...
     
    Es war schon lange dunkel, als wir bei dem Kinderheim ankamen. Das Schlimmste von allem, ja, wenn ich es mir jetzt überlege, erscheint es mir als das Schlimmste von allem. Von allem, was passiert ist. Von allem!
    Und trotzdem war es nicht besonders dramatisch oder bemerkenswert, nichts in der Art. Nur, daß es mich so nachdrücklich in die Schranken wies. Ja! »In die Schranken wies« – das ist das richtige Wort.
    Es war furchtbar schwer zu finden. Die Zufahrt war sehr steil (sie zweigte direkt von der Bezirkshauptstraße ab und war also, als Ausfahrt gesehen, vermutlich sehr gefährlich, wir mußten scharf bremsen, als wir sie endlich fanden, wenn wir einen Wagen hinter uns gehabt hätten, wäre er bestimmt in uns hineingefahren) und enorm glatt, weder mit Sand noch mit Salz bestreut. Wir fuhren an einer Sandgrube vorbei (Johansson konnte noch rasch darauf hinweisen, daß es in dieser Gegend oft massenhaft Uferschwalben gibt, die direkt unter dem Rand der Sandgruben nisten), dann an einer sonderbaren Zerkleinerungsanlage für Steine, kamen durch einen Birkenwald und waren schließlich da, wo wir hinwollten.
    Es war eine große, weiße Villa, von hohen Maschendrahtzäunen umgeben. Im zunehmenden Dunkel des Winternachmittags hörte man von drinnen ein Geräusch, als schlüge jemand eintönig und hartnäckig mit einem Löffel auf ein hohles Blechgefäß. Ein Hund begann zu bellen, die Tür öffnete sich (es war so eine richtig große Pensionsveranda mit Säulen und allem drum und dran), und ein ganz junger Typ mit Schnurrbart kam mit entschlossenen Schritten zum Gartentor herunter und fragte, was wir dort zu suchen hätten.
    Wir stiegen sogar aus dem Auto, als bräuchten wir wirklich eine Menge Platz:
    – Guten Tag. Ich bin Generaldirektor Troäng, Lars Troäng von der KBU, und dies ist Professor Klas Johansson. Wir werden erwartet.
    Der junge Mann sah sehr unschlüssig aus.
    – Beeilen Sie sich ein bißchen, sagte ich in meinem bündigsten Ton. Wir haben keine Lust, wer weiß wie lange hier draußen zu stehen und zu frieren.
    – Ja, Sie müssen aber einen Moment hier warten, mir ist nichts davon bekannt.
    – Wer ist hier der Heimleiter? Ich möchte ihn sofort sprechen!
    – Das ist Frau Norberg. Ich werde hineingehen und mit ihr reden.
    Wenn mich nicht alles täuschte, klang er jetzt schon etwas kleinlauter. Er verschwand, die Tür wurde zugeschlagen.
    – Wenn sie

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