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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Möglichkeit, einander ein bißchen Dampf zu machen, sich gegenseitig in die gewünschte Position zu bringen.
    Die untere Mittelschicht in Schweden lebt von Schuld und Selbstverachtung, sie kennt nur eine einzige Form der Rhetorik, nämlich das Jammern.
    BEFREIE DOCH ENDLICH DEINE LEIDENDE MENSCHHEIT
    ABER ZUALLERERST MICH, DENN ICH HABE AM MEISTEN GELITTEN
    Man braucht nur einige Kilometer mit dem Schienenbus zu fahren, um zu sehen, wie es sich verhält. Wenn sie keinen anderen Grund zum Jammern haben, jammern sie über ihre verfluchten Krankheiten, ihre schmerzenden Knie, ihre Gallensteine und Magengeschwüre, ihre entzündeten Venen, ihren Schluckauf und ihr Sodbrennen, ihren Durchfall und ihre steinharten Scheißwürste, die in den Nachttopf klirren
    und dabei bilden sie sich immerzu ein, irgend jemand würde sich schon um sie kümmern , wenn sie nur jammern. DIESE VERDAMMTEN IDIOTEN
     
    In diesem Augenblick spüre ich beispielsweise einen pulsierenden Schmerz, der mich in wenigen Minuten daran hindern wird, diese Sätze zu Ende zu schreiben. Er beginnt ziemlich weit unten am rechten Schenkel, wo er sich ungefähr wie flüssiges Metall anfühlt, oder wie irgendwas, das sich in der Muskulatur verfangen hat, ein goldener Draht könnte man vielleicht sagen. Dann strahlt er zur rechten Leiste aus, schickt ein ganzes Bündel von weißleuchtenden Golddrähten zum Nabel und zur Hüfte, an der Rückseite des Beins entlang, und ein Fächer dieses leuchtenden Goldes breitet sich bis zum Zwerchfell hin aus. Wenn ich mich hinlege, tut es noch mal so weh; wenn ich sitzenbleibe, wandert es zum Rücken hinauf, es behält nicht immer die gleiche Tonlage bei, die Frequenzen, die Schwingungszahlen dieses weißleuchtenden Goldes wechseln ständig, sie bilden Akkorde, ganz saubere Akkorde, bis sie sich plötzlich irgendwie verheddern und schneidend werden.
    Aber das mache ich doch verdammt noch mal niemandem zum Vorwurf! Niemandem!
     
    Seit drei Tagen viel besser. Es schmerzt noch ein wenig, das ist alles.
    Komisch, gestern habe ich zwei Freunde gewonnen. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert.
    Der eine heißt Uffe, der andere Jonny. Uffe ist zwölf Jahre alt, Jonny wird demnächst zwölf.
    Uffe kommt aus Skinnskatteberg und Jonny aus Borgå in Finnland. Gerade als ich hinausging und nach der Post schauen wollte, standen sie vor der Tür, fast zum Verwechseln ähnlich in ihren blauen Anoraks, ein bißchen sommersprossig, langmähnig wie Ardennerpferdchen.
    Ich glaube, sie wohnen in dieser Waldarbeitersiedlung oben in Sörby; ihre Eltern sind im letzten Herbst hergezogen. Sie gehen in die Zentralschule von Trummelsberg, aber sie hatten natürlich keine Ahnung, daß ich dort einmal Lehrer gewesen bin.
    Sie waren auf irgendein Abenteuer aus, nach Schulschluß, wie ich hoffe, es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß sie bei dem schönen Wetter ganz einfach einen Tag geschwänzt haben und dann Durst kriegten und Wasser haben wollten.
    Aber ich vermute, daß sie vor allem aus reiner Neugier angeklopft haben. Sie wollten einfach nur wissen, was für ein sonderbarer Mann das ist, der in dem Häuschen hinter den vielen Büschen und den langen Reihen von grünen Bienenstöcken wohnt.
    – Kommt herein, sagte ich.
    Sie waren ein wenig schüchtern. Ich erzählte ihnen was von den Bienen, aber das schien sie nicht besonders zu interessieren.
    Dann redeten wir eine Weile von ihren Eltern: Offenbar haben die Väter bei einigen der großen Kahlschläge Arbeit bekommen, mit denen jetzt begonnen werden soll.
    Von der Schule hatten sie nicht viel zu erzählen; doch, das Essen in der Kantine sei angenehmer als in ihren früheren Schulen, denn hier seien die Tabletts nicht aus Metall, und deshalb gebe es nicht so einen Heidenlärm. Der eine von ihnen wollte Eishockey spielen lernen, der andere interessierte sich für Korbball.
    Nach und nach tauten sie in der Wärme meiner Elektroheizung auf und begannen vorsichtig mit dem Hund herumzuspielen. Jonnys Strümpfe waren völlig durchnäßt, wahrscheinlich hatte er Löcher in seinen Stiefeln (es ist mir überhaupt schleierhaft, wie er zu dieser Jahreszeit in Gummistiefeln herumlaufen kann), und ich schlug vor, ihm ein Paar alte Wollsocken von mir zu borgen oder zu schenken. Ein wenig zögernd akzeptierte er das Angebot und öffnete seinen Schulranzen, um seine eigenen, nassen hineinzulegen (ich hatte sie ihm in ein Stück Zeitungspapier eingewickelt).
    Auf diese Weise entdeckte ich, daß er eine

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