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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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konkret für sie bedeuten würde. Manchmal war es einfach besser, den Körper das abfeiern zu lassen, was das Hirn abzuarbeiten einfach keine Lust hatte.
    Es ging auf drei Uhr morgens zu, und Zwerger, mittlerweile zumindest wieder im offenen Hemd und seiner A nzughose, wirkte wie ein Schwergewichtler nach seinem letzten erfolgreichen T itelkampf: nassgeschwitzt, erschöpft, aber glückselig.
    »Rita, das mit uns beiden, das wird das Paradies auf Erden! Das werden die besten zwanzig Jahre in meinem ganzen Leben!«
    Rita nickte. Sie wollte nach Hause, auch wenn sie fürchtete, dass ihr da die Gedanken darüber erst recht um die Ohren fliegen würden, ob und wie sie sich die angedrohten zwanzig Jahre Paradies auf Erden mit ihrem Geliebten vorstellen konnte.
    »Ich geh dann mal, Karl.«
    »Soll ich mitgehn, mein Schmetterling?«
    Rita war sich ziemlich sicher, dass sie jetzt allein sein wollte.
    »Lass mal. W as hast du eigentlich deiner Frau erzählt?«
    »Dass ich noch ins Büro muss wegen dem Konkurs. Und den Rest erfährt sie morgen beim Frühstück.«
    »Das mit uns?«
    »Das muss die noch gar nicht wissen. Das reicht, dass die Kiesgrube weg ist und dass ich die Scheidung eingereicht hab.«
    »Das weiß sie auch noch nicht?«
    »Doch nicht vor dem Konkurs, mein Schatz. Den Brief vom A nwalt leg ich ihr morgen auf den T isch. Ich hab alles genau getimt. A ch, das wird so schön mit uns beiden, Rita.«
    Rita nickte. Ein Hauch von Realitätsmief mischte sich in den sexgeschwängerten Liebesdunst des verdunkelten Chefbüros.
    »Und wie soll das jetzt vom Procedere her weitergehen, Herr Direktor Zwerger?«
    Zwerger stand auf, nahm sie in den A rm. Sein Lächeln traf sie mitten in ihren A ugen, seine kräftigen Hände legten sich auf ihren Hintern.
    »Morgen früh, liebe Frau Zieschke, da kommen Sie ganz normal ins Geschäft, und dann helfen Sie dem armen Herrn Zwerger, seinen scheußlichen Konkurs abzuwickeln, so gut das eben geht.«
    Dabei lächelte Karl, seine Hände auf Ritas Hintern packten noch einen Hauch fester zu. Er war schon ein sinnliches Schlitzohr, der ehemalige A utoverkäufer aus Kempten, der nur schnell noch die Kiesgrube abwickeln und dann mit ihr ein neues Paradies aufmachen wollte. V ielleicht war es wirklich keine so schlechte Idee, mit ihm irgendwohin zu gehen. Zu verlieren hatte Rita nicht viel. A ber das sagte sie Karl natürlich nicht, als sie sich losmachte, ihm noch ein Küsschen gab und mit ihrem T wingo durch die Nacht nach Hause fuhr.
    Rita hatte eine Zweizimmer-Neubau-Wohnung mitten in Ratzisried, die Zwerger ihr günstig vermittelt hatte. Es gab sogar eine kleine Dachterrasse, von der aus sie die Berge sehen konnte, den Hochgrat und das Rindalphorn. Rita schob eine CD von Peter Gabriel in den Player, machte die T ür zur Dachterrasse auf und legte sich aufs Bett. Sie wollte wenigstens noch ein paar Stunden schlafen, denn um acht Uhr spätestens musste sie wieder im Büro sein. Eine W oge wohliger Erschöpfung rollte über ihren ganzen Körper, sie spürte einen kleinen Schauer der Zuneigung für »ihren« Karl. Ein guter Liebhaber war er, seine Libido und seine A usdauer standen der junger Männer in nichts nach. Noch dazu hatte er einen guten Sinn für Humor, und das war ja auch schon mal was.
    Rita schloss die A ugen, Peter Gabriel sang schmalzig, aber statt des erhofften Schlafs kamen blöde Gedanken. Da war sie also in diesem A llgäuer Dorf auf ihrem ersten Kiesgrubenfest mit Bratwurst und Blasmusik gewesen, ein paar Kindsköpfe waren mit Planierraupen um die W ette gefahren, die Gattin ihres Liebhabers hatte ihr die Zigaretten weggeraucht und ihr ihr halbes Leben erzählt. Dann hatte der Chef seine Bombe platzen lassen, ihr das Paradies versprochen und sie zweieinhalb Stunden lang in seinem Büro fast wundgeliebt.
    Ein bissel viel, vor allem das mit dem Paradies. Gerade das hatte Rita nicht gewollt, die Enge einer festen Beziehung. Sie hatte sich auf eine A ffäre eingelassen, im sicheren Glauben, es bliebe bei A nnehmlichkeiten wie leidenschaftlichem Sex, Geschäftsreisen nach A msterdam und zur Not luxuriösen W äschezuwendungen. Der Status quo ante mit Job, W ohnung und Sex wäre ihr Perspektive genug gewesen für die nächsten ein, zwei Jahre. Bis dahin wollte sie sich überlegt haben, wie alles weitergehen könnte. Und jetzt wollte Zwerger ins Paradies mit ihr.
    Sie kannte Zwerger kaum, seit ein paar Monaten hatte sie diesen Job, der ab nächster W oche auch futsch sein würde.

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