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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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denn T ino kochte wirklich ausgezeichnet. Das einzige Problem war, dass er manchmal zu viel redete.
    Lipka entschied sich für die Dorade vom Grill mit Salat und Gemüsen der Saison, Zwerger bestellte sich das, was er immer aß: ein großes Rindersteak mit Linguine, gegrillten Kartoffeln, Oliven und einer Extraportion Steaksauce. Und sagte T ino, er solle das Essen möglichst schnell bringen.
    »Si, si, presto, presto. W ichtige Geschäfte! A ber für gute Essen muss immer bissele Zeit habe! Dann hinterher die Geschäfte gehte noch viel besser!«
    Karl verspürte eine spontane Lust, den kleinen Sizilianer in den A rsch zu treten.
    Tino brachte den W ein, für Lipka eine Karaffe weißen T rentino zum Fisch und für Karl einen roten Brunello. Lipka hob sein Glas.
    »Dann auf Ihr W ohl, Herr Zwerger, und auf die baldige W iederkunft Ihrer reizenden A ngestellten. A uf Ihr Unternehmen anzustoßen wäre vielleicht etwas unpassend …«
    Lipkas Scherze kamen Zwerger vor wie die verbale Fortsetzung seines permanenten Lächelns.
    »Ich nehme an, Sie gedenken, das hier als Geschäftsessen abzusetzen. Da könnte uns allerdings das Finanzamt Schwierigkeiten machen, weil die Bewirtungsaufwendung zeitlich nach der A nmeldung der Insolvenz liegt. A ber das hängt immer vom Ermessen des zuständigen Sachbearbeiters ab.«
    »Ja dann …vielleicht schmeckt’s trotzdem.«
    Lipka lachte wieder.
    »Wirklich schade, dass Frau Zieschke nicht mit uns zu T isch sein kann. Es kann manchmal auch aufschlussreich sein, was die A ngestellten über ein Unternehmen denken.«
    Das fehlte gerade noch. Karl hoffte, dass T ino das Essen bald herbeibringen würde. W enn Lipka noch länger so weiterredete, würde ihm der A ppetit an diesem Geschäftsessen vergehen, steuerliche A bzugsfähigkeit hin oder her. Er wartete sehnsüchtig auf einen A nruf von Rita, dass sie diesen Depp von Fricker mitsamt der Fiat gefunden hatte. Denn Karl hatte wirklich keine besondere Lust, sich mit Herrn Lipka über verschwundene Sachwerte in Form von Planierraupen zu unterhalten, die unterwegs zur Ostsee waren.
    Ewald Fricker hatte mittlerweile einen Bärenhunger. Nach seinem Boxenstop auf der A denauer-Brücke war er immer geradeaus gefahren. Einen Moment lang hatte er geglaubt, er hätte sich verfahren, weil er wieder durch eine Siedlung voller kleiner bunter Häuschen mit speckig glänzenden Dächern gekommen war. A ber die gab es wahrscheinlich an den Rändern aller Städte. Jetzt waren Ulm und die Donau hinter ihm und die Sonne über ihm, also stimmte die Richtung. Er fuhr einen Feldweg entlang, der mitten durch ein Maisfeld führte. Der Mais war noch nicht reif, und Ewald schob den Gedanken beiseite, sich einen Maiskolben aus dem Feld zu holen. V on unreifem Mais bekam man Durchfall, das wusste er, und einen Dünnschiss konnte er wirklich nicht brauchen auf seinem W eg nach Norden. Er hängte sich kurzerhand sein A kkordeon um und spielte ein paar Seemannslieder. V ielleicht halfen die gegen den Hunger, Seeleute waren auch lange unterwegs, und auf dem Meer gab es erst recht keinen Kiosk, wo man sich schnell was zu essen holen konnte. In der Stadt drin hätte er auch gern gespielt, aber da hätte bestimmt wieder jemand gemeckert, dass man das nicht durfte. Raupe fahren und gleichzeitig A kkordeon spielen konnte eben nicht jeder, aber Ewald merkte immer sofort im Hintern, wenn die Raupe nach einer Seite abhauen wollte, und war gleich mit der entsprechenden Hand am Hebel. Meistens konnte er dabei sogar die Bässe oder die Melodie weiterspielen. Hier auf dem Feldweg störte das natürlich keinen. Zuerst sang er nochmal »La Paloma«, dann von Freddy Quinn »Die Gitarre und das Meer«. Mitten im Refrain – Chuanita hieß das Mädchen/aus der großen fernen W elt/und so nennt er die Gitarre/die er in den A rmen hält – kam ihm hinter einer Kurve eine Gruppe frohgelaunter W anderer entgegen, die allesamt Kniebundhosen und blau- oder rotweiß karierte Hemden trugen. Obwohl sie alle Skistöcke in den Händen hielten, winkten sie ihm freundlich zu. Für einen kurzen Moment hatte Ewald gedacht, sie drohten ihm, so wie das seine Mutter oft tat, wenn er A kkordeon spielte. Nur hatte die keine Skistöcke in der Hand, sondern meistens eine Mistgabel. Die bestockten Leute schienen nicht nur das Gleiche anzuhaben, sondern auch im selben A lter zu sein und gingen auch in einer A rt Gleichschritt. A uch das T empo schien ihnen vorgegeben zu sein. Ewald hatte so etwas Ähnliches mal

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