Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Gähnen kam Ewald aus, er spürte eine Müdigkeit, die langsam von unten in ihm heraufkroch. Heinz war immer noch auf der Überholspur, und das Gehupe der anderen A utofahrer ging Ewald auf die Nerven.
»Weißt du, woran du den Charakter einer Frau erkennst?«
»Fahr halt wieder mal rechts rein, damit die andern vorbeikönnen.«
»Den Charakter einer Frau erkennst du daran, was sie drunter hat. Die Unterwäsche ist der Schlüssel zur Seele der Frauen.«
Heinz sog mehrmals den A tem zwischen seinen Zähnen hindurch, wodurch ein ziemlich blödes Geräusch entstand. Es erinnerte Ewald an die alte Schildkröte, die sein Freund Schorsch mal im Garten gehabt hatte.
»Der W issende kann so unendlich viel lesen aus einem winzigen Hauch von Stoff … ein Hauch von schwarzer Seide, der mehr ahnen lässt zwischen den Schenkeln eines W eibes als reine Nacktheit je zeigen könnte. Ich bin sicher, diese Rita trägt Strumpfhosen. Die ist genau so ein T yp von Frau. Für so was habe ich einen untrüglichen Blick!«
Das klang besonders blöde, weil hinten alle hupten.
»Strumpfhosenweiber sind die W ildesten, das sag ich dir. In der Ukraine haben sie alle Strumpfhosen an. Und die ziehen sie auch nicht aus. Die muss man ihnen erst schenken und dann zerreißen, verstehst du? Ja, ja, ja, Strumpfhosen sind das V erruchteste, was …«
Ewald beugte sich blitzschnell zu Heinz hinüber, griff ins Steuer und zog den Scania nach rechts.
»Ja Scheiße, verdammte!!!«
Heinz versuchte, den schlingernden Scania auf der rechten Spur wieder abzufangen.
»Spinnst du jetzt komplett?! Mach das nie wieder!!!«
»Fahr einfach rechts, und hör endlich auf mit dem saudummen Geschwätz!«
Heinz sah Ewald fassungslos an. Die A utos, die den Lastwagen jetzt überholten, hupten wild, und viele der Fahrer zeigten Heinz den V ogel oder gar den ausgestreckten Mittelfinger. Ewald war sich relativ sicher, dass Heinz jetzt Ruhe geben würde. Er drehte sich zur Seite und machte die A ugen zu. Er musste wenigstens ein halbes Stündchen schlafen.
Rita war ziemlich erschrocken, als der Lastwagen, nachdem er eine nervtötende V iertelstunde lang die linke Spur blockiert hatte, urplötzlich wieder nach rechts eingeschert war. Die Fiat-Allis hatte bedenklich gewackelt auf dem T ieflader, eine auf die A utobahn gestürzte Planierraupe wäre das Letzte gewesen, was Rita jetzt zu ihrem Glück noch gefehlt hätte. A ußerdem hätte sie am liebsten eine Pause gemacht, die T ankanzeige des 911ers ging auch schon langsam in Richtung »leer«. A ber sie wollte den Lkw nicht verlieren. Sie blätterte in dem Straßenatlas und suchte nach der nächsten T ankstelle. Das Schkeuditzer Kreuz hatten sie vor ein paar Minuten passiert, aber dort hatte sie nicht anhalten wollen: Das Risiko, dass der Lastwagen nach Dresden oder Erfurt abbog, wäre zu groß gewesen.
Ihr Handy klingelte wieder, und Rita sah auf das Display. Es war Karl Zwerger. Rita überlegte kurz, dann nahm sie das Gespräch an.
»Rita? Mensch, Rita, ich mach mir schon Sorgen! W o bleibst du denn, verdammt nochmal!?«
Es gefiel Rita nicht, wie Karl mit ihr sprach.
»Rita? Bist du noch dran?«
»Ist irgendwas, Karl?«
»Entschuldige, mein Schmetterling. Ich bin ein bissle … ich hock hier auf dem Klo in der Maschinenhalle … dieser Heini von Lipka will Karin da mit reinziehen wegen dem Grundstück.«
»Ich denke, deine Frau ist raus aus allem?«
»Ja, ja, aber die hat den Lipka irgendwie angesprochen.«
»Und jetzt?«
»Ja, nix jetzt. W o ist denn diese verfluchte Raupe?«
»Die steht auf einem T ieflader.«
»Super. Dann schau, dass du die herbringst. Ich brauch die hier. Mach zu!«
Rita gefiel Zwergers T on gar nicht.
»Karl, ich bin nicht deine Putzfrau. A lso rede bitte nicht so mit mir. Das kann ich nicht ausstehen. So was hab ich hinter mir. Merk’s dir bitte, auch für die Zukunft.«
»Ist ja gut! Entschuldige, mein Schmetterling. T ut mir leid. Jetzt sag doch mal: Wo bist du denn um Himmels willen?«
»So ein paar Kilometer hinter Leipzig …«
»Hinter Leipzig!?! W ie kommst du denn nach Leipzig!?! Ich glaub, ich spinne! Sakrament, Leipzig, da wär ich ja besser selber g’fahren! Rita, du …«
Am rechten Straßenrand tauchte eine T ankstelle auf. Rita fiel Zwerger ins W ort.
»Ich meld mich wieder, Karl.«
Sie drückte die rote T aste, warf das Handy auf den Beifahrersitz, bremste ab und fuhr in die Raststätte. Sie füllte den Porsche wieder auf, kaufte sich zwei Sandwiches und
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