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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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Straßenschild geschweige denn eine Landkarte lesen zu können. Und ein Navi hatte er nicht auf der Raupe, abgesehen davon, dass er es gar nicht hätte bedienen können. Langsam wurde ihr der Mann ein wenig unheimlich.
    Die beiden tranken abwechselnd die ganze Flasche leer und vergaßen nicht, bei jedem Schluck zu betonen, dass der jeweilige Schluck nur zum Einschlafen sei.
    »Die Raupe kann man übrigens auch ohne den Schlüssel anlassen, wenn man weiß, wie.«
    »Ja, Herr Fricker, man kann viel, wenn man weiß, wie.«
    »Eigentlich fast alles. A ber wenn man nicht weiß, was man will, nutzt es auch nix.«
    Rita merkte, dass ihr komische Gedanken durch den Kopf gingen. Da hielten alle diesen Mann für den ausgemachten Dorfdeppen, und der sagte lauter schlaue Sachen und hatte wunderschöne A ugen. Und konnte dabei lachen wie ein kleiner Junge. Sie spürte fast so etwas wie eine Zuneigung für den merkwürdigen Kerl, aber vielleicht lag das auch nur am nebligen obstlergeschwängerten Mondlicht. Rita merkte, dass sie hundemüde war, und über den Rest konnte sie sich morgen auch noch Gedanken machen, wenn Fricker ihr den Porsche aus dem Schlamm gezogen hatte.
    »Gute Nacht.«
    Ewald legte sich auf den Fahrersitz und zog sich die Decke wieder über den Leib.
    »Gute Nacht.«
    Mit unsicheren Schritten stakste Rita durch den Schmodder hinüber zum Porsche, legte sich quer über die Sitze und huschte dank Frau Frickers Branntwein schnell hinüber in den wohlverdienten Schlaf.

5
    D ie Sonne hatte den Nebel über der Lichtung vertrieben. Ewald richtete sich langsam auf und rieb sich die A ugen. A uch wenn seine Mutter das Zeug selbst brannte, war eine halbe Flasche Obstler natürlich nicht völlig folgenlos geblieben.
    Die Lichtung war groß und sah sehr schön aus, wie sie da im W ald eingebettet lag: ein leuchtendes Grün in der Morgensonne. Nur ein kleines Detail störte Ewald: Die W iese war ein Sportplatz. Oder besser gesagt, so ein Sportplatz, wo man Golf spielte. Er kannte das, auf dem W eg von Ratzisried nach Kempten gab es auch so ein Feld, wo die Frau Zwerger manchmal hinging und sich von einem freundlichen Farbigen ein W ägelchen mit Schlägern hinterherziehen ließ. Ewald sah, dass er nahezu mittendrin in dem Sportplatz stand und mit der Raupe eine tiefe Spur durch den grünen Rasen gezogen hatte. Die Kurven, die er gefahren hatte, wirkten wie ein Zickzackmuster auf der grünen Fläche.
    Ewald sah hinüber zu Zwergers Porsche. Bis zum Bodenblech war er eingesunken und von oben bis unten mit verkrustetem Dreck bespritzt. Frau Zieschke schien noch zu schlafen.
    Am anderen Ende der Lichtung bemerkte Ewald ein paar Leute, die schnell näher kamen. Sie schienen alt zu sein und hatten auch solche Golfschläger bei sich, wie sie Zwergers Frau immer im Kofferraum vom Mercedes-Cabrio liegen hatte. Ewald versuchte sie zu zählen: Es mussten mindestens zwölf Leute sein.
    Drüben im Porsche regte sich etwas, Frau Zieschke versuchte auszusteigen, was ihr sichtlich schwerfiel. Ewald konnte sich vorstellen, dass es ganz schön ungemütlich sein musste, in so einem Sportwagen zu schlafen.
    Die alten Leute kamen schnell näher. Einige riefen ihm etwas zu, ein paar von ihnen schwangen ihre Golfschläger. Ewald hatte den Eindruck, dass sie ziemlich sauer waren. W ahrscheinlich mochten sie keine Planierraupen auf ihrem Sportplatz. Ewald ließ vorsichtshalber den Motor an. Er hatte keine Lust, sich mit den Leuten zu unterhalten, so früh am Morgen, nach einer halben Flasche Obstler.
    Auch Rita hatte die nahende Gruppe ebenfalls bemerkt und versuchte, mit dem Porsche loszufahren. A ber die Hinterräder wirbelten nur Dreck auf, der Porsche versank noch tiefer im Morast.
    »Ziehen Sie mich sofort hier raus!«
    Ritas Stimme klang belegt und etwas verzweifelt.
    »Haun Sie lieber ab!«
    »Wie denn?? Der W agen sitzt fest!«
    »Ich tät nicht hocken bleiben da drin!«
    Ewald spürte instinktiv, dass es das Beste war, einfach abzuhauen. Er legte den Gang ein und gab Gas.
    Die aufgebrachten Senioren waren jetzt bis auf etwa hundert Meter herangekommen.
    »Bleiben Sie stehen, Herr Fricker!«
    »Los, dann kommen’s halt her!«
    Rita griff sich ihre Handtasche und rannte so schnell es ging zu der Raupe, die sich schon in Richtung eines W aldwegs bewegte. Fricker fuhr etwas langsamer und zog Rita mit der linken Hand hoch, als sie auf die Raupe aufsprang. Ihre Schuhe waren ziemlich dreckig, und sie wäre beinahe wieder

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