Ritter 01 - Die Rache des Ritters
Mann mit den besten Eigenschaften eines Ritters. Er würde einen guten Soldaten abgeben und, eines Tages, einen guten Ehemann.
Zögernd setzte sie sich im Sattel zurecht, warf einen letzten Blick auf den Turm. So viel war geschehen in der kurzen Zeit, die sie hier verbracht hatte; sie war Teil des Lebens dieser Menschen geworden, und diese ein Teil ihres Lebens. Sie schwor sich, niemals auch nur einen Moment von alledem zu vergessen, was das Leben auch immer mit ihr vorhatte. Wie viele Jahre auch vergehen würden.
»Mylady«, sagte Wesley und zog die Zügel seines Pferdes an, »seid Ihr bereit?«
Nein, dachte Raina verzweifelt, sie würde niemals bereit sein. Eine Windbö erfasste sie, als wollte sie sie vom Hof wehen. Sie packte ihren Umhang und wirbelte ihn wild um ihre Füße.
Vielleicht war es eine List des Windes, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, um sie zu veranlassen, zum Wehrgang hinaufzuschauen … wo er stand. Eine reglose Gestalt in Schwarz, das dunkle Haar wehte ihm um Gesicht und Schultern. Sein Kinn wirkte streng, seine Augen hart, als er sie von dort oben betrachtete.
Als sie ihn entdeckte, erstarrte Raina, ihre Augen weigerten sich zu blinzeln, weigerten sich, sich von seinem Bild abzuwenden. In diesem Augenblick brannte es sich ihr ins Gedächtnis ein, wie er dort stand, ein unbeugsamer Krieger, ein sanfter Mann. Sie liebte Gunnar mit ihrem ganzen Sein, und sie würde ihm ihr Leben ebenso schenken, wie sie ihm schon ihre Seele geschenkt hatte.
Wenn er sie wollte.
»Mylady.« Wesleys Stimme erklang leise hinter ihr. »Wir müssen uns auf den Weg machen.«
Raina nickte, die Augen noch immer auf den Mann gerichtet, den sie liebte. Sie wollte vom Pferd springen und zu ihm laufen, wollte sich in seine Arme schmiegen und niemals mehr von seiner Seite weichen. Sie schloss die Augen gegen den Schmerz in ihrem Herzen. Dann, mit großer Anstrengung, hob sie die Hand, um ihm ihren Abschiedsgruß zu entbieten.
Er sah es nicht, denn er hatte sich schon abgewandt, um in den Turm zurückzukehren.
Gunnar verließ den Wehrgang und kämpfte gegen den unbändigen Wunsch an, Raina nachzureiten oder sie zurückzurufen, obwohl er wusste, dass er das Richtige getan hatte, selbst wenn all seine Gefühle nach ihr verlangten. Er hatte den Ausweg des Feiglings gewählt und hatte sie gemieden – gestern Nacht und an diesem Morgen – , aber in Wahrheit war er nicht sicher gewesen, ob er die Kraft gehabt hätte, ihr Lebewohl zu sagen, wenn sie vor ihm stand. Es war schon schwer genug gewesen, sie über den Hof gehen und durch das Tor davonreiten zu sehen.
Er hatte geglaubt, dass es für ihn einfacher sein würde, zu seiner Entscheidung zu stehen, wenn sie erst fort wäre, aber nun musste er feststellen, dass ihn sein Herz mit jedem Schlag stärker schmerzte. Nur wenige Augenblicke waren seit ihrem Aufbruch vergangen, und schon vermisste er sie. Bei allen Heiligen, aber wie sollte er jemals ein ganzes Leben ohne sie ertragen?
Als Gunnar auf dem Wehrgang stand und der Wind ihm ins Gesicht schnitt und ihm den Umhang um die Beine peitschte, tat er einen feierlichen Schwur. Sie würden wieder zusammenfinden – was auch immer es kosten mochte.
21
Norworth ragte unheilvoll in den hellen Mittagshimmel auf, als Raina und ihre beiden Begleiter den Wald verließen, der den weitläufigen Burgberg und das geschäftige Dorf zu dessen Füßen umgab. Die beiden Reisetage waren schneller vorübergegangen, als Raina erwartet hatte, und das hatte zum großen Teil an Wesleys unermüdlichen Anstrengungen gelegen, sie mit Späßen und Liedern aufzuheitern.
Jetzt, da sie ihr Ziel erreicht hatten, konnte jedoch nichts mehr Rainas Stimmung heben. Wesley spürte vermutlich ihre Furcht, denn er brachte sein Pferd neben ihr zum Stehen und legte ihr behutsam die Hand auf den Arm. »Ihr seid wieder zu Hause, Mylady, unversehrt und gesund.«
Raina nickte geistesabwesend, während sie auf die Burg blickte, die ihr ganzes Leben lang ein sicherer Hafen für sie gewesen war. Seltsam, dass die hohen Türme und die eindrucksvolle Fassade ihr nicht länger ein Heim bedeuteten. Ihr Herz hatte seine Heimat in den Ruinen einer Burg im Norden gefunden, bei einem rebellischen Ritter.
Sie wandte sich an Wesley und Cedric und war fast entschlossen, die beiden zu überreden, sie wieder mit zurückzunehmen. Aber da erklang in der Ferne das Signal des Trompeters und verkündete, dass Besucher sich der Burg näherten, fast so, als wollte er ihr sagen, dass
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