Ritter 01 - Die Rache des Ritters
versprochen, hatte ihr nicht einmal Hoffnungen gemacht, dass er zu ihr kommen werde, wenn der Konflikt mit ihrem Vater gelöst war. Noch immer betete sie darum, dass er es tun würde.
In ihrer Fantasie stellte sie sich vor, dass Gunnar und ihr Vater sich trafen und über ihre Angelegenheiten sprachen, dass sie danach beide in Frieden – wenn auch nicht in Freundschaft – nach Norworth ritten. Und sie malte sich aus, dass sie und Gunnar dann wieder vereint wären und sich niemals mehr trennen müssten. Gunnar hatte sie davor gewarnt, sich an Träume und Wünsche zu klammern, aber ihr dummes Herz hatte sich geweigert zuzuhören … selbst jetzt noch.
Vom Gang her, der eine ganze Welt entfernt zu sein schien, näherten sich Schritte. »Verzeihung, Mylady«, sagte Agnes leise. »Es ist alles bereit.«
Widerstrebend und jedes Gran ihres Mutes zusammennehmend verließ Raina die Kammer. Sie hatte seine Burg noch nicht verlassen, und schon vermisste sie ihn. Die feuchte Kälte eines stahlgrauen Himmels schnitt ihr in Gesicht und Arme, als sie die Stufen hinunterging, die vom Turm zum Hof führten. Sie hielt das Kinn hochgereckt, obwohl ihr das Herz schwer war und sie jeder Schritt Überwindung kostete.
Auf dem Hof sah sie, dass Cedric und Wesley bereits zu Pferd saßen. Letzterer hielt die Zügel von Alarics kastanienbraunem Zelter für sie. Raina stand wie erstarrt am Fuß der Treppe und war unfähig, den ersten Schritt auf den Hof zu machen. Heilige Muttergottes – alles, was sie wollte, war, wieder in den Turm zurückzugehen und sich für immer darin einzuschließen. Agnes drängte sie von hinten mit einem leichten Klopfen auf die Schulter. »Geht jetzt, Mylady«, flüsterte sie und schenkte ihr ein aufrichtiges, warmes Lächeln.
Auf wackligen Beinen machte Raina sich auf den langen Weg zu den Pferden, ging vorbei an jedem Gesicht, das sie kennen und schätzen gelernt hatte: Rupert, der schüchterne junge Page, lächelte sie an; Odette und Dorcas murmelten beide gute Wünsche für eine sichere Reise und ein gutes Leben; alle Menschen, die am Vorabend in der Halle um sie herum gewesen waren, riefen ihr zum Abschied freundliche Worte zu.
Dann kam sie zu Merrick, der die Arme weit ausbreitete, um sie zu umarmen. Raina ließ sich an seine Brust ziehen und atmete den Duft von Kräutern ein, der in seinen Kleidern und in seinem Bart haftete. »Er wird dein Vertrauen nicht verraten«, murmelte er an ihrem Ohr. »Auch wenn er die Worte nicht sagen kann, so liebt er dich doch, eh?« Sie lehnte sich ein wenig zurück und sah ihn an. Merrick blinzelte ihr zu. »Denk an das, was ich dir gesagt habe, eh? Vertraue mir.«
Raina nickte benommen und ging zu ihrem Pferd. Dann fiel ihr Blick auf Alaric, der zwischen zwei Männern stand, die Arme um ihre Schultern gelegt, um sich zu stützen. Sein Bein musste ihm fürchterlich wehtun, dennoch war er gekommen, um sie zum Abschied zu sehen. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, und sie griff unter seinen Umhang und umarmte heftig seinen knochigen Leib. »Ich werde dich sehr vermissen, Alaric.«
Sie fühlte, wie er die beiden Männer losließ und sie umarmte und sein Gewicht auf das gesunde Bein verlagerte. »Die Burg wird ohne Euch nicht mehr dieselbe sein, Mylady. Und Lord Gunnar auch nicht … oder ich.«
Sie gab ihn frei, trat zurück und rieb sich die Arme. Ihr war kalt, und sie fühlte sich leer. Ein leichter Regen hatte kurz zuvor eingesetzt, aber sie nahm die Kälte erst jetzt richtig wahr. Alaric löste den Umhang von seinen Schultern und legte ihn ihr um.
»Nein«, wehrte sie ab. »Du hast doch nur den einen.«
Er schüttelte den Kopf und hob die Hand, um ihren Einwand abzuwehren. »Ich bestehe darauf.«
Raina warf die Arme um den Nacken des Freundes, drückte ihn noch einmal ganz fest an sich. »Dann werde ich ihn nehmen, aber nur, wenn du mir erlaubst, ihn dir sehr bald zurückzugeben.«
Er nickte, als sie zurücktrat und den Umhang unter ihrem Kinn schloss. Sie wandte sich zu ihrem Pferd um und setzte den Fuß in den Steigbügel. Alaric strahlte zu ihr hoch. »Das Pferd gehört jetzt Euch«, sagte er mit einem Grinsen. »Mylord hat mir ein anderes gegeben … ein hübsches weißes Schlachtross. Ein Pferd für einen Mann«, verkündete er stolz.
Nigels Schlachtross, vermutete Raina und fühlte ihr Herz angesichts von Alarics Freude ein wenig leichter werden. Sie konnte ihn sich gut vorstellen auf einem weißen Streitross und in einer glänzenden Rüstung, ein
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