Ritter 01 - Die Rache des Ritters
schlug ihm die Fackel auf den Kopf. Nigel schwankte benommen. Dann wandte er sich um und kam mit Mordlust in den Augen auf sie zu. »Das hättest du nicht tun sollen«, fauchte er.
Raina schrie, riss die Fackel hoch, schlug erneut zu und traf seine Stirn. Nigel griff nach ihr, verfluchte sie und versuchte, das Gleichgewicht zu wahren, taumelte rückwärts und prallte gegen Gunnars Brust.
»Hexe!«, schrie er und richtete sich auf, um sie erneut anzugreifen. Lieber Gott, er würde sie töten …
Im Bruchteil einer Sekunde schlang Gunnar die Eisenkette seines Arms um Nigels Hals und tat damit einen so heftigen Ruck, dass er ihm das Genick brach. Nigels schlaffer Körper glitt zu Boden, blieb reglos zu Gunnars Füßen liegen.
»Gunnar!« Raina warf die Fackel zu Boden und stürzte sich in seine geöffneten Arme. Sie küsste seine Lippen, sein Gesicht, seine Hände, umarmte ihn heftig und war überglücklich, seine Umarmung zu spüren. »Gott sei Dank«, flüsterte sie. »Oh Gott sei Dank, es ist vorbei.«
Er lehnte sich gegen sie, um sich zu stützen, und ihr wurde bewusst, wie verwundet und schwach er sein musste. »Lass mich dich von deinen Fesseln befreien«, sagte sie. Obwohl sie sich überhaupt nicht mehr aus seinen Armen lösen wollte, beugte sie sich hinunter und löste einen Ring mit Schlüsseln von Nigels Schwertgürtel.
Nachdem sie auch noch die letzte Eisenfessel geöffnet hatte, half sie Gunnar die Treppe hinauf. Auf dem Gang kamen ihr Evard und seine Männer entgegen. »Mylady!«, rief er. »Was zum Teufel – «
»Es ist alles in Ordnung, Evard«, sagte sie. »Alles ist jetzt gut.« Auf Evards Wink kam einer der Männer, um Gunnar zu stützen. »Habt Ihr meinen Vater gefunden?«, fragte Raina wie betäubt.
»Aye, Mylady, das haben wir. Er hatte es noch geschafft, aus dem Wald zu kriechen, in dem er angegriffen wurde, und dann auf den Weg, aber … es tut mir leid, er war schon tot, als wir ihn gefunden haben.«
Sie nickte niedergeschlagen und ging weiter, ihre ganze Sorge galt jetzt Gunnar.
»Lady Raina«, fuhr Evard fort, »Ihr hattet recht damit, Nigel des Verrats zu verdächtigen.« Er hielt einen Fetzen rostroter Seide hoch. »Das hielt Euer Vater fest in der geschlossenen Faust.«
Raina schaute nur halb hin, sie musste sich den Stofffetzen nicht näher anschauen, denn sie wusste, dass er zu der zerrissenen Tunika passte, die Nigel getragen hatte, als er mit ihrem Vater nach Wynbrooke geritten war.
»Ich werde mich darum kümmern, dass dieser Schuft für das bezahlt, was er – «
Raina schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei, Evard«, sagte sie ruhig. »Nigel wird uns nie wieder Probleme bereiten. Ihr findet ihn unten im Verlies. Alles, was jetzt zählt, ist Gunnars Gesundheit; helft mir, ihn von hier fortzubringen.«
Epilog
England im Jahr 1154
Es war eine Zeit der Neuanfänge, nicht nur für England und dessen französischen König Henry II ., sondern auch für den neuen Vasallen des Königs, Baron Gunnar of Rutledge, sowie für dessen geliebte Frau. Das Paar hatte seine Vergangenheit hinter sich gelassen und den Frieden und die Ordnung willkommen geheißen, die nach dem Tod des alten Königs und seinem gesetzlosen Treiben Einzug gehalten hatten.
Da Norworth zu den Burgen gezählt hatte, die während Stephens Herrschaft ohne Erlaubnis erbaut worden waren – wie Hunderte andere auch – , wurde sie auf König Henrys Befehl hin geschleift. Weder Raina noch Gunnar empfanden Bedauern darüber, dass die Festung dem Erdboden gleichgemacht wurde. Ihr Zuhause war eine kleinere Burg, eine bescheidene Festungsanlage hoch im Norden des Landes, die mit den Einkünften, die König Henry ihm persönlich zugesichert hatte, schon bald wieder hergerichtet werden konnte. Voller Stolz dachte Gunnar daran, als er auf seinem schwarzen Schlachtross den sanft ansteigenden Burghügel hinaufritt.
Er konnte es kaum erwarten, Raina die Neuigkeit zu verkünden.
Gunnar ritt durch das offen stehende Tor und vernahm ihre Stimme in seinem Herzen, noch bevor ihr Klang an sein Ohr gedrungen war, als er den Burghof erreichte. Die Melodie, die sie sang, war schön und melancholisch. Sie drang aus dem Fenster des Zimmers des Burgherrn und erfüllte den Himmel mit ihrer Unschuld und der Liebe zum Leben. Er hatte sie noch nie singen gehört, und jetzt, nachdem er sie fast eine ganze Woche nicht gesehen und schmerzlich vermisst hatte, machte sein Herz bei diesem Lied einen Sprung. Es war das Wundervollste, das er je
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