Ritter 01 - Die Rache des Ritters
aufschlug, aber sie konnte nichts tun, um ihre nackten Beine zu bedecken. Zudem war ihre Aufmerksamkeit nur auf die Waffe gerichtet, die Rutledge in der Hand hielt.
Er war ihren Blicken gefolgt, dann lachte er leise. »Glaubt Ihr, ich würde euch den ganzen Weg hierher bringen, um Euch auf dieser Lichtung die Kehle durchzuschneiden?« Seine Miene wurde ernst. »Haltet still, Mädchen.« Er streckte ihr die Hand hin. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, Mylady. Wollt Ihr Eure Fesseln loswerden oder nicht?«
Zögernd und halb erwartend, dass er ihr die Hände abschneiden wollte, streckte Raina sie ihm hin und wandte das Gesicht ab, damit sie nicht dabei zusehen musste. Mit einer geschickten Aufwärtsbewegung seiner Klinge durchtrennte Rutledge den Leinenstreifen, der schlaff auf den Waldboden fiel. Sofort schoss das Blut in ihre Hände und verursachte einen dumpfen, pochenden Schmerz.
»Solange Ihr mir gehorcht, habt Ihr nichts von mir zu befürchten«, sagte er und beugte sich vor zu ihren Füßen.
Sein Versprechen ähnelt mehr einer Drohung, dachte Raina, so wie es gesagt worden war: mit zusammengekniffenen Augen und einem Messer, das auf ihr Gesicht gerichtet war.
Rainas Augen folgten argwöhnisch der Klinge, als Rutledge seine große Hand um ihre Fußgelenke schloss und die Fessel durchtrennte. Obwohl sie nun von ihr befreit war, verweilte seine bemerkenswert warme und beunruhigende Hand auf ihrem Bein, bis er ihr ins Gesicht sah. Und bemerkte, dass sie ihn mit großen Augen anstarrte. Offensichtlich unfähig, seinen Abscheu für sie zu verbergen, ließ er sie mit einem finsteren Stirnrunzeln los und zog ihr dann mit einer beinahe hastigen Bewegung den Rock über die Knie, um ihre Beine zu verhüllen.
Er stand auf und streckte ihr mit einem Ausdruck von Ungeduld die Hand entgegen. Raina nahm an, und er half ihr auf, hielt sie so lange fest, bis sie das Gleichgewicht gefunden hatte. Ihre Hände konnten kaum seine Unterarme umfassen, und als ihre Augen den seinen begegneten, sah sie in ihnen einen frevlerischen Glanz – wie bei einem hungrigen Wolf. Sofort zog sie sich aus seiner sie seltsam erregenden Umarmung zurück, ballte die Fäuste in den Falten ihres Rockes und fragte sich, wie weit sie zu Fuß wohl kommen würde.
»Denkt nicht einmal daran, zu fliehen, Mylady«, sagte er, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Ihr würdet nicht weit kommen. Und wenn nicht ich es bin, der Euch findet, so gibt es viele andere, die in diesen Wäldern unterwegs sind. Und diese anderen würden sich für Euer Wohlergehen als weitaus abträglicher erweisen.«
Mit diesen Worten griff er an ihren Hinterkopf und löste den Knoten ihres Knebels. Ehe Raina wusste, wie ihr geschah, wurde ihr Gesicht an seine Brust gepresst, und ihre Nase füllte sich mit seinem Duft. Es war ein sinnlicher Moschusduft, vermischt mit dem scharfen Geruch seines Kettenhemdes und dem leichten Geruch nach Leder, der sich unauslöschlich in ihr Bewusstsein prägte und der sie für immer an ihn erinnern würde.
Raina bewegte ihr Kinn und rieb sich die wunden, rauen Lippen, während Rutledge seinen Dolch in die Scheide zurücksteckte. »W-wohin bringt Ihr mich?«, krächzte sie mit trockener Kehle.
»Das hat Euch nicht zu interessieren. Aber Ihr habt mein Wort: Solange Ihr mir gehorcht, wird Euch kein Schaden zugefügt werden.«
»Euer Edelmut ist wirklich erstaunlich«, fauchte sie, »ebenso wie Eure Arroganz, wenn Ihr wahrhaftig von mir erwartet, dass ich Euren Befehlen gehorche.«
»Tatsächlich? Hätte ich die Zeit, Mylady, dann würde ich Euch zeigen, was sich hinter meiner Arroganz verbirgt. Aber so, wie die Dinge liegen, gibt es wichtigere Dinge, um die ich mich kümmern muss.«
Ohne eine weitere Erklärung streckte er die Hand aus und packte sie am Handgelenk, um sie mit sich zu ziehen, aber Raina stemmte die Fersen in den Boden und weigerte sich mitzugehen.
Rutledge wandte sich zu ihr um, unverhohlene Fassungslosigkeit huschte über sein Gesicht. Er lächelte gequält und ruckte an ihrem Arm. Sie taumelte, rührte sich aber nicht von der Stelle. Sie reckte das Kinn.
»Eigensinniges Mädchen«, brummte er, als er zu ihr ging, sie hochhob und wie einen Getreidesack über die Schulter warf. Das Johlen und der Beifall von Rutledges Männern brandeten in dem Augenblick auf, in dem ihre Füße den Boden verließen.
»Zeigt ihr, wer der Herr ist!«, rief einer der Männer.
»Wie’s scheint, muss das Frauenzimmer erst mal Eure Lanze zu
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