Ritter 01 - Die Rache des Ritters
ihm nur die mindeste Chance geben, mit Euch zu reden, dann würdet Ihr begreifen, dass ich die Wahrheit sage. Welcher Verbrechen auch immer Ihr ihn für schuldig haltet, ich schwöre Euch, dass mein Vater ihrer nicht mächtig ist. Er ist gottesfürchtig, und er hat ein weiches Herz.« Sie ignorierte Rutledges höhnisches Lachen und schwor: »Ich würde mein Leben für seine Ehre verwetten.«
Bei diesen Worten hob Rutledge den Blick und sah sie an. Zuerst glaubte sie, er dächte über ihre Worte nach – sie hoffte, dass es so war – , aber seine Lippen waren grausam verzogen. »Euer Leben für seine Ehre zu verwetten, macht Euch zur größten Närrin der Welt, Mylady. Einer toten noch dazu.«
»Er ist alles, was ich habe – zum Teufel mit Euch!«, stieß sie hervor und fühlte, dass heiße Tränen in ihre Augen schossen, ehe sie überquollen und ihr über die Wangen liefen. »Er ist alles, was ich habe.«
Mit einer lässigen Bewegung seines Handgelenks schüttete Rutledge den Inhalt seines Bechers auf den Waldboden und stand auf. »Dann tut Ihr mir leid, Mylady.«
Raina barg das Gesicht in den Händen, um nicht in seiner Gegenwart weinen zu müssen, um ihm nicht die Befriedigung zu geben, zu sehen, wie weit er sie gebracht hatte. Sie holte einige Male tief Luft, um sich zu beruhigen, und sie zitterte, als sie auch den letzten Knoten hinunterschluckte, der in ihrer Kehle saß, und drängte die Tränen allein durch ihren Willen zurück.
Ein schwaches, rumpelndes Vibrieren, das sie unter ihrem nackten Fuß spürte, lenkte Raina ab. Sie hob den Kopf im selben Augenblick, als Rutledge sein Schwert aus der Scheide zog. Da hörte sie einen Reiter herangaloppieren. Der Mann rief etwas, sein Rufen weckte die Ritter, die hastig aufsprangen. Rutledge steckte sein Schwert weg, als einer seiner Männer auf die Lichtung sprengte.
»Reiter, Mylord, weniger als eine Stunde südlich von hier«, verkündete der Mann, außer Atem von seinem schnellen Ritt.
»Wie viele?«
»Ich habe sieben gezählt, und sie reiten sehr schnell. Sie folgen dem Fluss.«
Wenn Rutledge besorgt war, so verriet ihn seine Haltung doch nicht. Sein Blick glitt zu Raina, durchbohrte sie anklagend und kalt. »Ist d’Bussy dabei?« Sein unverkennbar hoffnungsvoller Ton sandte Raina einen Schauder den Rücken hinunter.
»Nein, kein Hinweis auf den Baron.«
Raina versuchte nicht einmal, ihren erleichterten Seufzer zurückzuhalten. Ihre Reaktion entging Rutledge nicht, der sie kurz anschaute und dann den Blick abwandte.
»Es bringt nichts, vor ihnen davonzulaufen«, sagte er zu seinen Männern. »Wir werden uns am besten hier verbergen und sie unbehelligt vorbeireiten lassen. Dann wenden wir uns nach Norden. Der Weg ist länger, als wir geplant hatten, aber es ist einer, von dem ich weiß, dass unsere Verfolger nicht darauf brennen, ihn zu nehmen. Ich kenne einen Platz, an dem wir über Nacht bleiben können.«
»Und was habt Ihr mit ihr vor?«, fragte einer der Männer, als Raina langsam aufstand und sich am rauen Stamm der Eiche festhielt, um sich zu stützen.
Rutledge ging zu ihr und blieb in einer entschieden beschützenden Haltung vor ihr stehen. »Um die Frau kümmere ich mich, Burc. Warum kümmerst du dich nicht darum, die Pferde zu verstecken?«
Der Ritter starrte ihn an, schwieg aber, während er und ein weiterer Mann die Pferde losbanden, um sie tiefer in den Wald hineinzuführen. Ihre Schritte verklangen, und Rutledge wandte sich um, ging dann zu ihr.
»Ich habe Euch bereits gebeten, meine Befehle zu befolgen, wenn Ihr ein Blutvergießen vermeiden wollt. Jetzt werden wir sehen, wie gut Ihr zugehört habt.« Er nahm sie am Arm, zog sie mit sich ins Unterholz. Dann, mit strategischer Präzision, verteilte er seine Männer auf verschiedene Stellen in der Umgebung der Lichtung und gab ihnen die Anweisung, nicht anzugreifen, ehe er den Befehl dazu gab.
»Und wenn sie uns entdecken, Mylord?«, fragte ein mit Pfeil und Bogen bewaffneter Ritter.
»Dann tötet sie.«
Rutledges kalte Worte waren gerade in Rainas Bewusstsein vorgedrungen, als der Anführer des Verfolgertrupps in Sicht kam. Ein Blick auf das kurz geschorene blonde Haar, und ihr Herz begann wie verrückt zu klopfen.
Nigel.
6
Raina hielt den Atem an, als Nigel in die Mitte der Lichtung ritt, flankiert von je drei bewaffneten Männern. Sie ließen ihre Blicke über die Umgebung schweifen, während sie weiterritten, schauten sogar hoch in die Baumwipfel, als könnte ihnen von dort
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