Ritter 01 - Die Rache des Ritters
erteilt.«
»Ja, eine mit seiner Faust oder dem Ende einer Peitsche, ohne Zweifel.«
»Nein, obwohl … hätte ich gewusst, wie verdammt – «, er errötete, »ich bitte um Verzeihung, Mylady, aber hätte ich gewusst, wie ich mich heute Morgen fühlen würde, dann hätte ich eine gesunde Tracht Prügel vorgezogen.«
Raina runzelte erstaunt die Stirn. Das konnte doch nicht sein! Bei all seinem Gerede über seine Aufgabe, bei all seinem offensichtlichen Stolz über seine grausame Härte hatte Rutledge nichts getan? »Soll das heißen, dass er dich nicht geschlagen hat?«
Alaric schüttelte den Kopf. »Er hat mir nur eine Lektion erteilt.« Er legte vorsichtig die Hände an seine Schläfen. »Und eine Flasche Wein zu viel mit mir getrunken.«
Raina kniff die Augen zusammen. Wie konnte er es wagen, sie das Schlimmste von ihm glauben zu lassen! Wie konnte er es wagen, sie die ganze Nacht vor Sorge über Alarics Wohlergehen schmoren zu lassen, wenn er nur vorgehabt hatte, dem Jungen eine Strafpredigt zu halten und ihn anschließend mit zu viel Alkohol zu traktieren? Sie wusste nicht, was sie wütender machte – die Tatsache, dass er sie all diese schrecklichen Dinge hatte glauben lassen, oder der Gedanke, dass sie das alles tatsächlich geglaubt hatte.
Raina bemerkte kaum, dass Alaric davonging; sie hörte sein gemurmeltes »Mit Eurer Erlaubnis«, war aber zu sehr gefangen in ihren Überlegungen über seinen Lord, um zu antworten.
Dieser Schuft hatte sich also nicht nur über ihr Verlangen lustig gemacht, sondern er hatte auch versucht, sich in ihren Augen zu einer noch größeren Bedrohung aufzuspielen, als er in Wirklichkeit war. Und auch in den Augen aller anderen Turmbewohner. Raina konnte es kaum abwarten, ihn wissen zu lassen, dass sie sich auf keinen Fall zum Narren halten lassen würde.
13
Raina war nervös, weil ihr befohlen worden war, sich zur Mittagsmahlzeit bereitzuhalten. Der Vormittag war sehr schnell vergangen, auch wenn sie ihn nur damit verbracht hatte, mit Agnes Kleidungsstücke zu flicken, die eigentlich nicht mehr zu flicken waren. Die alte Krähe hatte kaum ein Wort mit Raina gewechselt, und sie hatte sich von sich aus nicht getraut, ein Gespräch anzufangen, weil sie befürchtet hatte zu erfahren, dass alle in der Burg über ihr morgendliches Bad im Teich Bescheid wussten.
Sie hatte also schweigend ihre Arbeit verrichtet und war dann Agnes in die Küche gefolgt, um auf deren Anweisung bei der Vorbereitung des Mittagessens zu helfen, der aufwändigsten Mahlzeit des Tages. Zwei Hasen waren am Morgen auf der Jagd erlegt und einem Wildragout hinzugefügt worden. Einige Stücke Käse und frisch gebackenes Brot rundeten das Essen ab, dessen herrliche Düfte die Küche erfüllten und einem das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen.
Mit Agnes auf den Fersen trug Raina ein großes Tablett in die Halle. Es schien ruhiger als sonst zuzugehen, die Männer benahmen sich gesitteter und ordentlicher. Und das Tablett wurde weder von den Hunden attackiert noch lungerten sie unter den Tischen herum. Genau genommen sah die Halle überraschend respektabel aus: Die alten, ausgedienten Binsen waren sauber fortgefegt worden; keine Becher oder Essensreste bedeckten den Boden. Raina fragte sich, was über alle gekommen sein mochte und woher dieser plötzliche Anfall von Ordnung rühren mochte. Und dann sah sie ihn .
Rutledge saß an seinem Tisch, sauber rasiert und angetan mit einer cremefarbenen Tunika, die nur einen einzigen Flicken aufwies. Sein dunkles Haar lockte sich über dem Kragen, und eine Strähne fiel ihm in die Stirn, was ihn zugleich verwegen und charmant aussehen ließ. Sie fühlte, dass er sie von dem Moment an beobachtet hatte, als sie die Halle betreten hatte, und jetzt, da sie sich traute, zu ihm hinzusehen, lächelte er. Ihre Wangen färbten sich dunkelrot bei der Erinnerung an das, wohin dieses Lächeln heute Morgen bei ihr geführt hatte.
Agnes setzte sich auf den letzten freien Platz an den Tischen und ließ Raina mitten in der Halle stehen. Sie drehte sich nach rechts, dann nach links, während sie darum betete, jemand würde Mitleid mit ihr haben und ein Stück zur Seite rücken, um ihr Platz auf einer der Bänke zu machen. Doch niemand rührte sich; sie starrten sie alle entweder nur an oder hatten bereits angefangen, sich das Brot in den Mund zu stopfen. Einigen sah man an, dass sie Rainas Unbehagen genossen.
In diesem Moment spürte Raina, dass Rutledge sich von seinem Platz
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