Ritter 01 - Die Rache des Ritters
werden denken, dass wir Liebende sind.«
»Lasst sie doch«, erwiderte er mit einem Schulterzucken, dann reichte er ihr den Dolch. Zögernd ergriff sie ihn und nahm das Stück Fleisch in den Mund. Rutledge sah sie eindringlich an. »Außerdem wird es schon sehr bald Wirklichkeit sein, glaube ich.«
Sie starrte ihn an, fühlte, wie ihr die Röte bis zu den Haarwurzeln stieg. Ihre Finger schlossen sich um den Dolch, und sie sagte sich, dass er ein Narr war, ihr diese Waffe zu geben.
»Solltet Ihr diesem dummen Gedanken nachgeben, Lämmchen«, warnte er sie freundlich, »werde ich Euch auf der Stelle übers Knie legen und Euch auf Euren kleinen nackten Hintern eine Tracht Prügel verabreichen. Damit alle Anwesenden die Strafe für Eure Dummheit zu sehen bekommen.«
»Das würdet Ihr nicht tun«, entgegnete Raina, legte den Dolch aber auf den Tisch. »Ich glaube, Euer Bellen ist schlimmer als Euer Biss.«
»Tatsächlich?«, sagte er und zog herausfordernd die Augenbrauen hoch. »Vielleicht solltet Ihr die heute Mittag hier Versammelten fragen, ob ich meine, was ich sage, oder nicht.«
»Es ist nicht nötig, dass ich sie frage«, erwiderte sie rasch und sehr mit sich zufrieden. »Da ich meinen Beweis dafür bereits habe.«
Er lachte leise und sah sie über den Rand seines Bechers an. »Was für einen Beweis?«
»Ich habe Alaric heute Morgen auf meinem Rückweg vom … « Ihre Stimme erstarb, als Rutledge den Becher langsam sinken ließ und sie es sofort bedauerte, dieses unangenehme Thema zur Sprache gebracht zu haben.
Aber unerwarteterweise erblasste Rutledge. »Was hat er Euch gesagt?« Raina beobachtete die Gefühle, die sich auf seinem Gesicht spiegelten, zuerst Überraschung, denn sie hatte ihn mit ihrer Bemerkung gewiss unvorbereitet getroffen; dann verzog er den Mund in einem gewissen Unbehagen. Er blinzelte, und Zorn flackerte in seinen dunklen Augen auf. »Was hat er Euch gesagt?«
Raina schluckte. »D-Dass Ihr ihm eine Lektion erteilt habt … ihn krank gemacht habt mit Wein – «
»Verdammt noch mal!«, brüllte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Als einige Köpfe sich zu ihnen umdrehten – einschließlich Alarics – , senkte Rutledge seine Stimme zu einem Flüstern. »Dieser Junge weiß einfach nicht, wann er den Mund halten muss!«
»Macht ihm keine Vorwürfe. Selbst wenn er es mir nicht gesagt hätte, hätte ich ihm die Wahrheit wahrscheinlich an der Nasenspitze angesehen. Ihr habt ihn nicht geschlagen«, bestätigte sie erleichtert, als die zornige Glut in seinen Augen langsam zu verschwinden begann. »Ihr habt mich glauben lassen, Ihr hättet es getan, aber Ihr habt es nicht. Und jetzt wollt Ihr diese Leute hier denken lassen, ich sei Eure Hure.« Sie schüttelte den Kopf und fuhr in ruhigem, sachlichem Ton fort: »Ich werde nicht Teil Eures Spiels sein, was immer auch Eure Motive sein mögen.«
Rutledge reagierte so schnell, dass Raina kaum wusste, wie ihr geschah. Mit einer schnellen Bewegung hatte er sie vom Stuhl gerissen, sie rücklings auf den Tisch geworfen und sich auf sie gelegt. In der Halle, in der plötzlich Grabesstille geherrscht hatte, brandeten jetzt laute Jubelrufe und Beifall auf, als Rutledge sie bedrängte. Er legte eine Hand auf ihre Brust, hielt ihre Handgelenke mit der anderen über ihren Kopf und küsste sie wie der ungehobeltste seiner Halunken.
Empört spürte Raina seine Hüften zwischen ihren Schenkeln, und sie trat nach ihm, wand sich voller Wut darüber, dass er sie auf eine solche Art und Weise vor seinen Leuten demütigte und erniedrigte. Ihre Gegenwehr verstärkte nur das Getöse in der Halle, das sich zu einer ohrenbetäubenden Lautstärke steigerte, als Becher und Messer auf die Tische geschlagen wurden, um Rutledge noch anzufeuern.
»Loslassen!«, schrie sie.
»Sagt ein Wort zu irgendjemandem und Ihr zwingt mich zu beweisen, dass Ihr eine Lügnerin seid … in beiden Fällen.«
Raina fühlte sich durch seine Augen stärker gefangen als durch das Gewicht seines Körpers. Sein glühender Blick bestätigte ihr ohne jeden Zweifel, dass er in der Tat meinte, was er sagte. »Tier!«, spuckte sie. Aber er grinste nur, dann küsste er sie auf die Nasenspitze und stand auf. Er strich seine Tunika glatt, als würde ihn sonst nichts in der Welt kümmern.
Raina stützte sich auf die Ellbogen. »Widerlicher Grobian!« Sie versuchte, ihm in den Unterleib zu treten, aber er wich geschickt aus, lachte höchst amüsiert. Und so selbstzufrieden!
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