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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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dem Mädchen Kartia teilte, und kurz vor Mitternacht war ein Wachtposten zu ihnen gekommen.
    »Ich finde, dass du nicht gehen solltest«, sagte Kartia und nahm Nuada in die Arme. »Er ist ein dämonischer Mann, und Grunzer sagt, er hat niemals gute Nachrichten.«
    Nuada zuckte die Achseln. »Ich habe bislang nur sehr wenige echte Seher getroffen, ich kann mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Aber ich werde ihm keine Fragen nach dem Tod stellen. Hab keine Angst um mich, Kartia.« Er lächelte und küsste sie auf die Wange. »Ich bin bald zurück.«
    Er ging hinaus in die kalte Nacht und blickte zu den funkelnden Sternen empor.
    Zitternd vor Kälte zog er seinen Umhang fester um sich. Der Wächter deutete auf eine offene Tür, durch die er die Glut in einem eisernen Kohlebecken sehen konnte. Er trat ein und fand den Dagda mit überkreuzten Beinen auf einem Ziegenfell sitzend, die Augen geschlossen, die Hände ausgebreitet. Nuada räusperte sich und klopfte an den Türrahmen.
    »Tritt ein, Sagendichter. Mach es dir bequem«, sagte der Dagda und öffnete die Augen. Nuada schloss die Tür hinter sich. Es gab weder Stühle noch sonst irgendwelche Möbel, also ließ er sich auf dem Teppich neben dem alten Mann nieder. »Gibt es etwas, das du mich fragen möchtest?« wollte der Dagda wissen.
    Nuada grinste. »Nichts, Herr. Ich habe keine Lust, meinen Todestag zu erfahren.«
    »Warum hast du dann meiner Bitte entsprochen?« fragte der Dagda und starrte Nuada mit dunklen Augen durchdringend an.
    »Um von dir zu lernen, Herr. Ich bin sicher, deine Reisen sind ein Lied wert, und ich würde es gerne singen.«
    »Manche Dinge eignen sich nicht für Lieder, mein Junge, und manche Leben bleiben besser im Dunkel der Magie und der Geheimnisse. Aber du interessierst mich. Bist du dir der Farben bewusst?«
    »Natürlich«, antwortete Nuada, »obwohl ich nicht besonders gut darin bin. Warum fragst du?«
    Der alte Mann strich sich über den gegabelten, weißen Bart, dann stand er auf und legte Holz auf das Feuer in dem Becken nach. Er wirkte älter als die Zeit, doch seine Bewegungen waren geschmeidig, fast flüssig. Seine Hände waren schmal, aber kräftig, und auf den Handrücken waren keine Altersflecken zu sehen.
    »Die Farben«, sagte der Dagda, seinen Platz dem Sagendichter gegenüber wieder einnehmend, »sind aus Harmonie geschaffen. Jetzt im Moment, wo wir miteinander reden, gewinnt das Rot immer mehr an Macht über das Reich der Gabala. Überall herrschen die niedrigeren Gefühle vor. Lust, Gier, Selbstsucht herrschen in Furbolg. Von Liebe und Mitleid ist wenig zu sehen. Wie seltsam ist es dann, dass in diesem Wald, der von bösen Männern bevölkert ist, das Rot nicht an Macht gewinnt. Welche Antwort hast du darauf?«
    »Ich habe keine Antworten«, sagte Nuada. »Ich bin ein Sagendichter, ich erzähle nur Geschichten nach.«
    »Kannst du die Farben in den Menschen sehen?« fragte der Dagda plötzlich. »Kannst du in die Augen eines Mannes sehen und seine Seele erkennen?«
    »Nein. Aber ich nehme an, du kannst es?«
    Der Dagda grinste. »Ja, ich kann das. Es ist gleichzeitig ein Fluch und eine Gabe. Ich war letztes Jahr auch hier, in diesem Loch von einem Dorf. Das Rot war überall. Jetzt ist es verschwunden, und das Weiß regiert. Wenn auch nur knapp, vergiß das nicht. Weißt du, warum?«
    »Du stellst immer dieselbe Frage. Ich kann nicht anders antworten.«
    »Du bist die Antwort, Sagendichter. Ich habe dich heute Abend beobachtet, wie du ihre Köpfe mit Edelmut und Stärke erfüllt hast – niemanden mehr als die Ratte Grunzer. Du bist der Stein, der in den Teich fällt und Kreise bis ans entfernteste Ufer ausstrahlt. Das ist wirklich eine wertvolle Gabe.«
    »Du fängst an, mich zu verwirren«, sagte Nuada. »Willst du damit sagen, dass meine Geschichten die Herzen der Menschen verändern? Das kann ich nicht glauben. Ich gebe zu, dass ich – wenigstens für kurze Zeit – ihren Unglauben aufheben kann. Aber am andern Morgen, wenn sie aufwachen, bin ich nichts weiter als Teil der letzten Abendunterhaltung.«
    »Das stimmt nicht, Nuada. Ein Mensch ist ein komplexes Wesen, und seine Seele ist wie ein Schwamm, der Gefühle eher zufällig aufsaugt. Schlage ihn, und er wird zornig, seine Seele rot wie Blut. Nähre ihn, streichle ihn, liebe ihn – und seine Seele wird sanfter, ändert sich. Du erfüllst sie mit Glanz, lässt sie glauben, dass sie besser sein können, stärker. Du zwingst sie, die Macht des Weiß in sich

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