Ritter-Geist
König persönlich glich. Mit ihren menschlichen Händen waren die Kuhleute recht geschickt, und im Laufe der Vergangenheit hatte sie aus Stoff, Gips und Fa r be Abbilder der Köpfe ihrer früheren Helden angefertigt. Dieser Maskenkopf hier war die Darstellung des Minotaurus, eines lange verschollenen Helden, der vor Urzeiten nach Mundania gegangen war, um sein Glück zu suchen. Es hieß, daß er dort bei Labyrint h wettbewerben ziemlich gut abgeschnitten und viele Mundanier erschlagen hatte. Natürlich war es immer besser, je weniger Mu n danier es gab.
Ich für meinen Teil benutzte für die Tarnung das Talent meines Körpers. Nach einer Weile, es dauerte eine knappe Stunde, hatte ich mich in eine gehörnte Kuh verwandelt. Die Kuhleute sahen überrascht zu, ebenso Threnodia. »Ihr seid ja dreimal schneller, als ich es war!« rief sie.
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, ich würde es nicht glauben. Ihr habt in drei Tagen mehr über mein Talent gelernt als ich in meinem ganzen Leben!«
»Das war reines Glück«, sagte ich selbstzufrieden.
Sie verengte die Augen. »Ich dachte immer, Ihr Barbaren wärt ziemlich dumm. Ihr dagegen seid klüger als…« Sie zuckte die Schultern. »Ihr seid wirklich eine… eine beachtliche Person.«
Achselzuckend meinte ich: »Ich bin einfach nur naturverbunden, das ist alles. Euer Talent ist eine ganz natürliche Sache, Euer D ä monenerbe.«
»Natürlich!« brummte sie mit gemischten Gefühlen.
Zum Abendessen gab es frisches Moos, etwas anderes stand nicht zur Verfügung. Nach unseren Maßstäben war das zwar nicht gerade schmackhaft, doch immerhin brauchten wir nicht zu ve r hungern. Wir schliefen in einer Höhle, die mit altem Stroh ausg e legt war, etwas, was hier unten äußerst kostbar war. Die Kuhleute behandelten uns wirklich königlich.
Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg. Mula hatte uns erklärt, wo wir die Ritter finden würden, die uns auch mit Schwe r tern ausrüsten würden, sofern man uns als Opfer akzeptierte. Wir brauchten lediglich in den unteren Trakt zu gehen und dort laut zu muhen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wie die meisten arroga n ten Eroberer, hatten sich die Ritter nicht die Mühe gemacht, die Sprache ihrer Untertanen zu erlernen.
Wir verabschiedeten uns von Mula. Ich war inzwischen viel gr ö ßer als sie, aber der Abschiedsschmerz war der gleiche. Ich hatte meine Größe erhöht, weil ich der Meinung war, daß dies zugleich auch meine Chancen in dem bevorstehenden Kampf verbessern würde. Einer der Nachteile, unter denen Frauen zu leiden haben, ist ihre geringere Körpergröße. Und unter diesem Nachteil brauchte mein jetziger Körper nun wirklich nicht zu leiden. Wir schritten den beschriebenen Weg entlang. Schon bald hatten wir verbotenes Gebiet betreten, so daß wir mit Muhrufen unsere G e genwart kundzutun begannen. Sonst, so hatte man uns gewarnt, würde man uns als herumstreunende Wesen oder als Eindringlinge einfach abschlachten.
Es dauerte nicht lange, bis eine Gestalt in metallener Rüstung e r schien. Sie war groß – so groß wie wir – und so vollkommen b e deckt, daß keinerlei Fleisch zu sehen war. Wirklich eine äußerst abweisende Erscheinung!
»Muh!« muhten wir zusammen.
Die Erscheinung musterte uns, eine gepanzerte Hand auf das ri e sige Schwert gelegt, das von ihrer metallenen Hüfte herunterhing. Dann machte sie kehrt und schritt davon. Nervös folgten wir ihr, da wir davon ausgingen, daß man uns als Opfer angenommen hatte und uns nun das Privileg gewähren würde, am Turnier tei l zunehmen.
Tatsächlich führte man uns auch schon bald in eine Arena. Es war gar kein richtiges Labyrinth, vielmehr eine offene Arena, die von einem Gewirr niedriger Gänge umringt war. Als wir in der Mitte standen, kamen weitere Rüstungen herein, die auf diesen niedrigen Mauern Platz nahmen. Nun erst sah ich, daß es Sitzbä n ke waren, von denen die vorderen niedriger waren als die hinteren, damit die Ritter alle die Arena klar vor Augen hatten. In leerem Zustand sah das Ganze wie ein Labyrinth aus, mit Zuschauern gefüllt jedoch wie eine Tribüne. In der Mitte der Arena, neben uns, befand sich eine Rampe. Sie begann auf ebener Erde, einigerm a ßen breit, und wurde immer größer, je weiter sie sich durch die Arena zog. An der Kante war die Rampe gebogen und nach oben gewellt. Auf der anderen Seite der Arena wellte sie sich ein weit e res Mal und wies einen geraden Teil auf. Doch der lag
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