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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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hat seine Aufgabe nicht erfüllt. Trotz aller Beschwörungen des heroischen Opfers für den Sieg, das Vaterland oder ,die Sache‘ geht es im Krieg nicht darum, Opfer zu werden, sondern andere zu Opfern zu machen. Opfer sind somit keine Begleiterscheinung des Krieges, sondern dessen ureigenster Zweck. Sie sind nur in einer sehr zynischen Logik ,kollateral‘.
    Von Kombattanten und Nichtkombattanten
    Die Unterscheidung von Kriegsteilnehmern in Kombattanten und Nichtkombattanten ist terminologisch modern, inhaltlich aber durchaus an mittelalterliche Vorstellungen angelehnt. In kriegsrechtlichen Texten des Hoch- und Spätmittelalters finden sich Hinweise darauf, dass bestimmte Personenengruppen vom Krieg ausgenommen werden sollten. Sie sollten von den aktiven Kämpfern geschont und nicht zum Ziel kriegerischer Gewalt gemacht werden. Dazu zählten Frauen, Alte, Kranke und Priester. Diese Personen haben gemein, dass sie keine Waffen führen |79| und dass sie nicht in der Lage sind, sich zu verteidigen. Sollte etwa ein Priester dennoch zum Schwert greifen, verliert er den Anspruch auf Schutz; dieser ist somit eine Frage des Verhaltens, nicht ausschließlich des Standes. Interessant ist, dass manche der Regelungen auch diejenigen zu den schützenswerten Personen zählen, die in der Landwirtschaft arbeiten; so lesen wir etwa in einem kriegsrechtlichen Traktat Honor Bouvets (†1405/10):
    [Geschont werden] sollen auch die Viehhirten, Landwirte und Landarbeiter [...] – diejenigen, die für alle Menschen und die ganze Welt arbeiten und durch deren Arbeit alle Arten von Menschen leben. 1
    Die Schutzwürdigkeit der Bauern liegt weniger in ihrer Wehrlosigkeit, als in ihrer gesellschaftlichen Funktion begründet: Von der Arbeit der Bauern lebt die ganze mittelalterliche Gesellschaft, und so erscheint es nur sinnvoll, durch die Schonung der Bauern die eigene Lebensgrundlage zu sichern. Dies ist freilich nur die Theorie des Krieges und hat mit der Praxis nicht immer viel gemein. Derartige Überlegungen zeigen aber, dass auch im Mittelalter über eine Eingrenzung des Krieges nachgedacht wurde, der die Unterscheidung in Kämpfer und solche, die es nicht waren, zugrunde lag.
    Warum aber sprechen wir so kompliziert von ,Nichtkom battanten ‘? Das ist – offensichtlich – kein mittelalterlicher Begriff. Wenn es zeitgenössische Sammelbezeichnungen für die schützenswerten Bevölkerungsgruppen gibt, dann zielen diese auf die fehlende Bewaffnung dieser Gruppen ab, und bezeichnen sie als ,unbewaffnet‘ (lateinisch:
inermis )
. Dies weist erneut auf den engen Zusammenhang zwischen Verhalten und Schutz hin: Ein Bauer, der sich im Kampf mit welcher Waffe auch immer seinem Gegner stellte, konnte nicht aufgrund seiner |80| Standeszugehörigkeit mit Schonung rechnen. Diesem Umstand trägt auch die moderne Bezeichnung als Nichtkombattant, als Nicht-Kämpfer also, Rechnung. Je nach Verhalten und Situation konnte ein und dieselbe Person Kämpfer oder Nicht-Kämpfer sein. Am deutlichsten wird das am Beispiel der gefangenen Kämpfer. Sie wechseln mitten im Kampfgeschehen den Status: Dieser Übergang wird im Falle eines hochadligen Kämpfers, dessen Lösegeld den Fänger zu einem reichen Mann machen kann, durch bestimmte symbolische Akte markiert: Teile der Rüstung (etwa ein Handschuh oder der Helm) werden dem besiegten Gegner abgenommen. Er wird so vom bekämpfenswerten Kriegsgegner zum schützenswerten Nichtkombattanten. Als solcher nimmt er nicht mehr aktiv am Krieg teil.
    Die Bezeichnung ,Zivilist‘ ist für mittelalterliche Kriege wenig passend. Sie basiert auf der Unterteilung der Gesellschaft |81| in Soldaten und solche, die es nicht sind. Ohne Soldaten gibt es keine Zivilisten. Soldaten im modernen Sinne wiederum gab es im Mittelalter nicht, weil entscheidende Aspekte dieses Berufsstandes fehlten: geregelte Ausbildung, Kasernierung, Uniformen und militärische Ränge. Zwar gab es für manche dieser Elemente Ansätze, die auf die stehenden Heere der Frühen Neuzeit verweisen; insgesamt gesehen aber war es im Mittelalter eine Frage des situationsspezifischen Verhaltens, nicht des Berufes, ob man als Kämpfer angesehen wurde oder nicht.
    Der Topfhelm – Ein ritterlicher Kopfschutz
    Im Laufe des Hochmittelalters entwickelte sich der Helm, den man gemeinhin mit dem mittelalterlichen Rittertum verbindet: der Topfhelm. Er umschließt den ganzen Kopf, bietet dadurch viel Schutz, schränkt aber auch die Beweglichkeit und die Sicht des Kämpfers

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