Ritter und Raufbolde
schleuderten sie überall die Leiber beiseite, als wenn die Sichel das reife Korn schnitte. Mit dem Schwert mähten sie die Häupter, wie bei der Ernte – ein schrecklicher Anblick! – und mit dem Schwert bahnten sie sich überall einen Weg mitten durch die Feinde. Der getreue Panzer vermochte die Glieder nicht zu schützen, noch der verzierte Helm das Haupt, überall war Tod. Die mit Leichen bedeckte Flur war nass von Blut. 4
Mit diesen Worten beschreibt das Lied vom Sachsenkrieg die Schlacht an der Unstrut zwischen König Heinrich IV. und den aufständischen Sachsen 1075 – aus der Sicht des siegreichen Königs. Das Gedicht schwelgt geradezu in der Beschreibung der Gewalt, die den Sachsen angetan wird. Die Ernte-Metapher, in welcher die Feinde wie reifes Korn gemäht werden, macht die Aussageabsicht der Quelle deutlich: Die richtige Seite (die eigene) ist den Feinden so überlegen, dass diese massenhaft getötet werden und dabei letztlich keinen Widerstand leisten können. Die Guten fahren hier ihre Ernte ein. Diese Metaphern für kriegerische Aktionen, die alle auf der Chancenlosigkeit der Gegner basieren, kennen wir auch aus anderen Zeiten und Kontexten: In der Bibel liegen die Feinde wie das Korn hinter dem Schnitter (Jeremia 9, 21), und in modernen Kriegen werden Feinde mit dem MG ,umgemäht‘.
|87| Die Sachsen wollen sich an der Unstrut freilich nicht ganz kampflos in ihr Schicksal ergeben, und so geht die Schilderung weiter:
Die Sachsen, die bei dem gewaltigen Gemetzel zurückwichen, suchten sich dagegen zu stemmen, um nicht ungerächt [ zu sterben, und griffen die Sieger verschiedentlich an. [...] Der eine stürzte auf den Feind und trat dabei auf seine eigenen Eingeweide, der andere zog den kalten Stahl aus dem eigenen Körper, und sterbend erschlug er den Feind, der ihn tötete. 5
Mit dem Widerstand der Sachsen ist dann das (Schlacht)Feld bereitet für den Auftritt des eigentlichen Helden, König Heinrich IV.:
Wie ein Blitz fuhr der König dahin, schimmernd in herrlichen Waffen, und streckte viele Tausend des eidbrüchigen Volkes nieder. 6
|88| Ein Held ist, wer viele Feinde tötet, und Heinrich IV. ist der Held des Liedes vom Sachsenkrieg: Er tötet die Sachsen massenhaft. Gerade in epischen Texten haben mittelalterliche Autoren keine Probleme damit, kriegerische Gewalt sehr ausführlich und plastisch darzustellen. Gleiches gilt auch für die mittelalterliche Buchmalerei; ihre Bilder lassen der Fantasie wenig Raum und zeigen kriegerische Gewalt in allen blutigen Details.
Die bildliche Darstellung dürfte dabei ebenso wenig der Realität des mittelalterlichen Krieges entsprochen haben wie das Epos zum Sachsenkrieg. Der Krieg war sicherlich grausam und blutig; es wurden aber weder Männer mit einem Hieb in zwei Teile geteilt, noch haben einzelne Könige Tausende Feinde erschlagen. Beide Gewaltschilderungen sind künstlerisch überzeichnet. Sie kommen aber der Wirklichkeit auf den Schlachtfeldern sicherlich näher als alle klinischen Berichte gewaltfreier Darstellungen.
Gewalttätig ist immer der Gegner
Eine andere Stoßrichtung von Gewaltbeschreibungen ist die Delegitimierung des Gegners. Dessen Position wird ins Unrecht gesetzt, indem ihm Handlungen jenseits der akzeptierten Normen zugeschrieben werden. Damit sind wir bei einem ganz typischen Punkt mittelalterlicher Berichte von Kriegsgräueln: Übergriffe begehen immer nur die anderen. Dies zeigt deutlich, dass wir es gerade bei Kriegsberichten – genau wie heute – stets mit Parteien zu tun haben, die sich in ein gutes und die Gegner in ein schlechtes Licht setzen wollen. Ausschlaggebend ist dabei nicht die Intensität der Gewalt, sondern ihr Kontext. Das massenhafte Hinschlachten von Feinden – inklusive eines Meeres von Blut und herausquellender Gedärme – wurde als ein probates |89| Mittel eingestuft, um Heldengeschichten vom Krieg zu erzählen. Nicht die reine Gewalt setzt den Akteur ins Unrecht.
Dieses Unrecht wird vielmehr durch ganz bestimmte Formen von Gewalt evoziert und begründet: Dies sind vor allem Übergriffe auf Personen, die als schützenswert galten, oder auf sakrale Einrichtungen. Ein besonders drastisches – und daher lehrreiches – Beispiel für Gewaltzuschreibung an eine Fremdgruppe erzählt der Chronist Jean Froissart zum Aufstand der französischen Bauern 1358, der sogenannten Jacquerie:
Ich könnte mich niemals überwinden, die schrecklichen und schändlichen Dinge niederzuschreiben, welche sie [die Bauern]
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