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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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seien für ihn wichtiger als Traktor und Mähdrescher.«
    »Ich dachte, das schließt sich aus.«
    »Es soll grüne Politiker geben, die Ferienhäuser in der Toskana besitzen.«
    »Solange sie die nicht mit Atomstrom heizen, von mir aus«, sagte ich. »Ich versteh nur nicht, warum Jakob seinem Bruder nicht aus der Klemme geholfen hat, wenn er so ein Tausendsassa ist. Das wäre für ihn doch wohl ein Kinderspiel gewesen.«
    »Wovon redest du?«
    Ich berichtete, was Beate mir über Josefs angebliche finanzielle Schwierigkeiten erzählt hatte. Für Gina war das völlig neu.
    »Sicher, anfangs hatte Josef Probleme«, sagte sie. »Das war, bevor Jakob ihm sein Erbteil ausbezahlte. Aber das ist ewig her. Seitdem lief der Laden gut.«
    »Wohnt die ehemalige Verkäuferin, diese Frau Lingscheid, hier im Ort?«
    »Keine fünf Minuten von hier. Warum?«
    »Ich würd ihr gerne ’n paar Fragen stellen.«
    »Verfolgst du eine Spur?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich möchte mich bloß von Irritationen befreien.«
    *
    Das Haus war lila gestrichen, trug die Nummer 18 und lag in der Straße, die zur Burg führte. Gina klingelte. Auch noch ein zweites und ein drittes Mal, aber niemand schien zu Hause zu sein. Als wir wieder abrücken wollten, wurde doch noch geöffnet. Jetzt wußte ich auch, warum eine Bank vor dem Haus stand. Bei den Wartezeiten.
    »Entschuldigen Sie«, sagte die Frau und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. »Ich bin gerade beim Wäscheaufhängen.«
    Sie mochte Ende fünfzig sein und war glückselig. Nicht daß sie einen Joint oder eine Flasche Bourbon geschwenkt hätte und auf einem Bein herumgetanzt wäre. Ihr Gesicht strahlte einfach die tiefe Zufriedenheit eines Menschen aus, der sein Glück außerhalb der irdischen Sphären gefunden hat. Eine Verzückung, die auch dann nicht verlorenging, als sie Gina erkannte und ihr Blick mitfühlend wurde. Ansonsten war sie eher klein als groß, eher dick als dünn, hatte streichholzkurzes mausgraues Haar und war abgesehen von der Allerweltsschürze mit abgeschnittenen Jeans, Batik-T-Shirt, Lederweste und Hanfsandalen wie eine ganz normale Hippie-Oma gekleidet.
    Gina stellte mich als Cousin vor, und die Lingscheid führte uns in eine Küche, deren technische Ausstattung noch aus der Zeit stammte, als Erhardt die Volksaktie propagiert hatte. Schrank, Eckbank. Tisch und Stühle waren offenbar bei verschiedenen Haushaltsauflösungen erstanden worden. Den unteren Teil des Schrankes zierte ein naives Gemälde. Dörfliches Leben rund um den Löschteich. Auf den Fensterbänken drängten sich Grünpflanzen.
    Die Fakten kannte die Lingscheid aus der Zeitung. Was nicht dringestanden hatte, insbesondere Ginas Befindlichkeit, erfragte sie behutsam. Ich saß dabei, kaute Zahnstocher und streichelte einen Farn. Schließlich kam Gina auf die Kündigung zu sprechen.
    »Ich war völlig überrascht, als ich hörte, daß Sie schon seit zwei Monaten nicht mehr im Geschäft arbeiten. Josef hatte mir davon nichts erzählt.«
    »Vielleicht, weil er nicht wollte, daß Sie von seinen Schwierigkeiten erfuhren«, sagte die Lingscheid. Sie sprach langsam und ohne größere Betonung. »Er konnte mich nicht mehr bezahlen.«
    »Ich hab gehört, er hätte Sie entlassen, nachdem Sie eine satte Lohnerhöhung gefordert hatten«, sagte ich.
    »Das hat Ihnen sicher die kleine Nelles erzählt. So hat Josef ihr nämlich meine Kündigung begründet, weil er nicht zugeben wollte, daß ihm das Wasser bis zum Hals stand.«
    »Haben Sie sich gegen diese Verleumdung nicht zur Wehr gesetzt?«
    »Mir ist ziemlich gleichgültig, was man über mich redet. Außerdem trete ich nicht auf jemanden, der am Boden liegt.«
    »Stand es so schlimm um den Laden?« fragte Gina.
    »Er war so gut wie bankrott«, sagte die Lingscheid. »Zuletzt soll es sich nur noch um Tage gehandelt haben, bis ihm die Bank den Hahn zugedreht hätte.«
    »Also doch«, murmelte Gina.
    »Woher wollen Sie das wissen?« fragte ich.
    »Kommen Sie aus der Großstadt?« fragte die Lingscheid.
    Ich nickte.
    »Münstereifel ist – sagen wir mal wohlwollend – eine Kleinstadt. Wenn heute einer frisch tapeziert, erfahre ich das morgen, ohne mich danach erkundigt zu haben.«
    »Trotz ärztlicher Schweigepflicht, Bank- und Beichtgeheimnis?«
    »Alles was darunter fällt, erfahre ich noch am gleichen Tag.« Sie sah mir meine Skepsis an. »Zweifeln Sie daran?«
    »So wie Sie aufgemacht sind, dachte ich, Sie gelten als schräge Alte und wären deshalb vom

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