Rittermord
plötzlich vor dem Bankrott gestanden haben soll. Du mußt ihm doch eine erhebliche Summe gezahlt haben.«
»Allerdings«, sagte Jakob und zuckte die Schultern. »Tut mir leid, daß ich dir da nicht weiterhelfen kann.«
»Schon gut«, sagte Gina. »Können wir fahren, Tom?«
»Jederzeit«, sagte ich.
Als wir den Hof verließen, frischte es auf. Sofort begannen sich die Rotoren der WKAs zu drehen.
Kapitel 11
Kyllburg
»Er war gekommen, wie sie es sich gewünscht hatte«, las ich vor. »Rodrigo hatte schöne große Ohren und eine markante Schnauze und auch ein schönes Schwänzchen, wenn auch ungeringelt.«
An der Stelle mußte ich mich räuspern.
»Sie lagen nicht im Schloß, sondern im Laub unter einem dicken Dornengestrüpp. Aber ihr Herz sagte Gloria, daß das Schloß immer da sein würde, wo sie beide waren, sie und Rudi, den die Welt Rodrigo nannte.«
Ich klappte das Buch zu und hielt es Sophie hin. Als sie danach griff, zog ich es weg. Dann hielt ich es ihr wieder hin und zog es erneut weg, als sie die Hand ausstreckte. Beim vierten Mal ließ ich es ihr, und in dem Moment lächelte sie. Kaum länger als einen Wimpernschlag, aber ich war mir so sicher, daß ich einen Hunderter darauf gesetzt hätte. Sie hatte gelächelt!
»Herr Henschel!« Das war Frau Kalff, vom Küchenfenster aus. »Telefon!«
»Wer ist es denn?« rief ich.
»Eine junge Dame.«
»Nicht wegfahren«, sagte ich zu Sophie. »Ich bin gleich wieder zurück.«
Ich flitzte ins Haus. Als ich den Hörer ans Ohr heben wollte, rutschte er mir aus der Hand und krachte auf den Boden.
»Hallo«, sagte ich im zweiten Anlauf. »Wer auch immer Sie sind, ich hoffe, Sie haben jetzt keinen Hörschaden.«
»Ich saß früher im Jugendorchester als Oboistin direkt vor der Pauke«, sagte Beate Nelles. »Mich kann diesbezüglich nichts mehr schocken.«
»Waren Sie beim dicken Anton, oder wie der Knabe heißt?«
»Daß Sie sich daran noch erinnern. Ich hab’s nicht ganz geschafft, ich hatte die falschen Schuhe an. Jetzt hab ich als Souvenir eine Wasserblase an der Ferse.« Sie seufzte. »Aber deswegen ruf ich nicht an.«
Da sie eine Pause machte und es offenbar unbedingt hören wollte, fragte ich: »Weswegen dann?«
»Können Sie herkommen?«
»Montag ist die Beisetzung. Dann sind wir sowieso da.«
»Geht es nicht heute? Hier gibt’s massive Probleme.«
»Verraten Sie mir Näheres?«
Sie seufzte schon wieder. »Frau Trimborn, die Vermieterin, war heute morgen hier und hat einen absolut irren Auftritt hingelegt. Die war so außer sich, daß ich dachte, sie kriegt ’nen Herzschlag.«
»Hatten Sie vergessen, die Haustür abzuschließen?«
»Quatsch.« Sie druckste herum. »Ich kann Ihnen das am Telefon so schlecht sagen.«
»’n bißchen was müssen Sie schon rauslassen«, sagte ich. »Ohne stichhaltigen Grund setz ich mich nicht ins Auto und fahr ’ne Stunde durch die Pampa.«
»Na gut.« Das war der dritte Seufzer. »Es gibt anscheinend Gerüchte, Frau Trimborn habe Josef mit ihren Mieterhöhungen in den Tod getrieben. Und mich verdächtigt sie, diesen Mist in die Welt gesetzt zu haben.«
Die Geschichte hatte ich doch schon mal gehört.
»Okay«, sagte ich. »Schließen Sie Fenster und Türen und öffnen Sie niemandem, bis ich da bin.«
»Wieso?« fragte sie mit banger Stimme.
»War nur ’n Scherz«, sagte ich. »Bis gleich.«
Bad Münstereifel
Ich war erstaunt, daß der Laden geöffnet war. Bei einem Blick durchs Schaufenster entdeckte ich die Lingscheid und eine junge, mir unbekannte Frau hinter dem Ladentisch. Kunden waren auch da und sorgten dafür, daß die Kasse klingelte. Fragte sich nur, für wen.
Beate öffnete die Wohnungstür nur spaltbreit und mit vorgelegter Kette. Als sie mich erkannte, atmete sie so schwer aus, als habe sie seit unserem Telefonat die Luft angehalten. Im Gegensatz zu Montag trug sie ein blauweißrotes Minikleid, das aussah wie aus einem Union Jack geschneidert.
»Sind Sie allein?« fragte sie.
»Gina ist in Trier«, sagte ich.
Auf dem Küchentisch standen eine Thermoskanne mit Kaffee und ein Blech voll Streuselkuchen.
»Aus der Automatenkanne hat der Kaffee nach Pfefferminztee geschmeckt«, sagte sie. »Ich brüh ihn jetzt direkt in die Isokanne rein. Den Kuchen hab ich selbst gemacht.«
Das Rezept für den Streusel mußte sie einem Kochbuch aus der Sahelzone entnommen haben, denn ich brauchte drei Tassen Kaffee, um ein Stück runterzuspülen.
»Lecker«, sagte ich. »Ich hab
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