Rittermord
Klein-klein, das unsere Eltern ihr Leben lang praktiziert hatten, im Prinzip beibehalten. Nur eben umweltverträglich. Das war mir zu wenig.«
»Daß das ’n Ökohof ist, müssen Sie – pardon – mußt du aber dranschreiben.« Er hatte mir das Du angeboten, aber ich tat mich damit wie immer schwer. In der Beziehung bin ich überhaupt kein Rheinländer. »Oberflächlich betrachtet könnte es sich auch um ein x-beliebiges mittelständisches Industrieunternehmen handeln.«
»Zwei Sachen mußt du unterscheiden. Zum einen ist da der Hof, der für eine knappe halbe Million im Jahr gut ist. Zum anderen die ÖEE. Mit der setzen wir inzwischen jährlich fünfundzwanzig Millionen um.« Das sagte er in einem Ton, der nur zwei Reaktionen zuließ: entweder ein anerkennendes Kopfnicken oder demonstrative Gleichgültigkeit. Ich tat ihm den Gefallen und nickte. Dafür wiederholte er mir den Betrag noch einmal Buchstabe für Buchstabe. »F-ü-n-f-u-n-d-z-w-a-n-z-i-g M-i-l-l-i-o-n-e-n. Das ist bester Mittelstand, mein Lieber.«
»Gibt’s trotzdem noch glückliche Hühner? Oder sind die ab ’nem gewissen Umsatz nicht mehr drin?«
»Oh doch, mehr denn je.« Sein Lächeln war jetzt so breit, als sei er auf Wahlkampftour. »Das ist eines unserer Markenzeichen und wird es auch bleiben. Nur reden wir heute von ganz anderen Größenordnungen. Wo früher ein Zettelkasten reichte, brauchen wir heute ein PC-Netzwerk. Die Zeiten sind vorbei, als die Leute mit selbstgestrickten müslibekleckerten Pullovern in durchgerosteten VW-Bussen zum Wochenmarkt gefahren sind, um auf einem Tapeziertisch zehn Eier und drei Kilo Möhren zu verkaufen. Ökologische Landwirtschaft spielt sich heute in völlig anderen Dimensionen ab. Unsere Branche verzeichnet bereits heute die zweitgrößte Wachstumsrate nach der Telekommunikation. Was wir Jahr für Jahr zulegen, ist gigantisch.«
Ich hatte wohl zweifelnd geguckt, denn er legte noch mal nach.
»Der Begriff Ökologie wird immer mehr zu einem Synonym für Qualität. Vergleichbar mit inzwischen abgewirtschafteten Begriffen wie ›Made in Germany‹, ›Wollsiegel‹ oder was weiß ich. Das erfordert natürlich auch eine andere Repräsentanz, und siehe da, die Leute haben kapiert. Sieh dir an, wie ein Thilo Bode von Greenpeace heute auftritt, oder eine Britta Steilmann oder ein Heinz Hess oder Politiker wie Fischer und Vesper. Die Uhr der verträumten zotteligen Steinzeitökos ist längst abgelaufen. Heutzutage sind Managerqualitäten gefragt, Tom. Und Visionen. Das Wissen darum, wohin die Reise geht.«
Jakob sog scharf Luft ein. Solange, bis er meinte, unsere volle Aufmerksamkeit zu haben. Dann sagte er: »In spätestens drei Jahren gehen wir an die Börse.«
»Wie die Telekom«, sagte ich.
So smart er war, Ironie war nicht sein Fach. »In der Tat ein gutes Beispiel, wie man einen Börsengang exzellent vorbereitet.«
»Konntest du in Erfahrung bringen, wann die Kripo Josefs Leichnam freigeben wird?« fragte Gina, und mir kam das in dem Moment vor, als piekse sie in eine riesige Seifenblase.
Für Jakob war das kein Problem. Er war einer von denen, die fix umschalten konnten. »Dafür ist die Staatsanwaltschaft zuständig, Gina. Gestern habe ich Josef zunächst einmal identifiziert. Ich denke, wir werden ihn nächste Woche beisetzen können. Ich ruf dich auf jeden Fall an, sobald ich Näheres weiß.«
»Kann ich ihn noch einmal sehen?«
»Ich würde es dir nicht empfehlen. Er wurde ja obduziert, weißt du, und …«
»Schon gut. Hast du schon überlegt, wo er beerdigt werden soll?«
»In Münstereifel. Oder wolltest du ihn mit nach Kyllburg nehmen?«
»Nein, nein. Ich wollte es nur wissen.«
»Es sei denn …«
»Was?«
»Es taucht doch noch ein Testament auf, in dem er zu dem Thema etwas verfügt hätte.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Gina. »Da ist noch etwas, was ich dich unbedingt fragen muß, Jakob. Josef soll in großen finanziellen Schwierigkeiten gewesen sein. Wußtest du davon?«
»Das ist mir neu. Geldangelegenheiten waren aber auch nie ein Gesprächsthema für uns.«
»Halt mich jetzt bitte nicht für indiskret, aber hatte Josef noch etwas von dir zu kriegen? Ich meine aus der Erbschaft?«
»Liebste Gina, ich weiß natürlich, worauf du anspielst. Als ich das Erbe angetreten habe, war ich nicht flüssig, um Josef sofort auszahlen zu können. Das wurde aber bereits vor über einem Jahr geregelt.«
»Ich frage auch nur deshalb, weil ich mir nicht erklären kann, wieso Josef
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