Rittermord
den Blick von mir zu wenden, »verbreitet in der Stadt, ich betreibe Mietwucher und hätte damit ihren Arbeitgeber und – wie ich nunmehr auch weiß – Lebensgefährten, Herrn Josef Deutsch, in den Tod getrieben.«
Beate setzte an, aber ich bedeutete ihr, sich zurückzuhalten.
»Das ist übelste Rufschädigung«, fuhr Frau Trimborn fort. »Dafür erwarte ich zunächst einmal eine Entschuldigung.«
Das sagte sie schneidend wie ein General, der vom Bespringer seiner Gemahlin Satisfaktion fordert. Die Vorstellung, wie die beiden Damen sich im Morgengrauen mit Steinschloßpistolen auf dem Entenmarkt duellierten, erheiterte mich. Um der Sache willen riß ich mich jedoch zusammen.
»Sie wollen doch sicher nicht, daß Frau Nelles, nur um Ihnen nach dem Mund zu reden, sich für etwas entschuldigt, was sie nicht getan hat«, sagte ich. »Außerdem ist die Behauptung völlig haltlos, weil Herr Deutsch ermordet wurde und sich nicht selbst getötet hat.«
»Es kann gute Gründe geben, daß jemand, der den Tod sucht, dies auf eine Art tut, die die Selbsttötung wie Unglück oder Mord erscheinen läßt.«
»Ich war dabei, Frau Trimborn«, sagte ich. »Ich hab mit eigenen Augen gesehen, was passiert ist. Ein vorgetäuschter Selbstmord scheidet aus.«
»Halten Sie sich für kompetent, das beurteilen zu können?«
»Zwanzig Jahre Kripo, davon fünfzehn bei der Mordkommission, was sagen Sie dazu?«
»Oh.« Frau Trimborn machte einen spitzen Mund. »Sie hätten mir Ihre Marke zeigen sollen.«
Ich erzählte ihr, daß das Vergangenheit sei, ich aber mit meiner Marke nicht auch mein Urteilsvermögen abgegeben hätte. Dann sagte ich:
»Wer auch immer dieses Gerücht verbreitet hat, ist dumm, denn ein Gerücht sollte sich wenigstens so weit an die Fakten halten, daß es einer oberflächlichen Überprüfung standhält.«
Darauf kaute Frau Trimborn eine Weile herum. Schließlich wandte sie sich an Beate: »Da muß ich mich wohl bei dir entschuldigen, mein Kind. Es tut mir aufrichtig leid, daß ich dir Unrecht getan habe.«
»Geschenkt«, sagte Beate. »Ich hab’s eh nicht so ernst genommen.«
Für den dummen Spruch hätte ich ihr in ihren hübschen Hintern treten können, denn umgehend machte Frau Trimborn wieder ein eingeschnapptes Gesicht.
Um die alte Dame auf andere Gedanken zu bringen, fragte ich schnell: »Entbehrt denn auch die Geschichte von der Mieterhöhung jeder Grundlage?«
»Leider nein«, sagte sie und klopfte auf den Ordner. »Ich war gezwungen, die Miete zum Jahresbeginn um dreißig Prozent anzuheben, da ich gewisse Auflagen des Bauamtes zu erfüllen und zu finanzieren hatte. Die Anhebung war keineswegs kostendeckend, aber noch mehr wollte ich Herrn Deutsch nicht zumuten.«
»Eine weitere Erhöhung sollen Sie bereits angekündigt haben.«
»Ich sehe, die Buschtrommeln funktionieren«, sagte Frau Trimborn. »Bedauerlicherweise, ja. Kaum war die Dachstuhlsanierung abgeschlossen, wurde mir, wie es so schön heißt, aus feuerpolizeilichen Gründen die Erneuerung der gesamten Elektroinstallation zur Auflage gemacht. Dabei wurden die Kabel erst 1959 – oder war es 1960? – neu verlegt. Damals bereits unter Putz.«
Ich muß wohl ungläubig geguckt haben, denn Frau Trimborn klopfte erneut auf den Ordner. »Sie können gerne nachsehen, junger Mann. Hier drin befindet sich die gesammelte Korrespondenz.«
Die Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. Die Damen ignorierten sich derweil. Beate studierte ihre Schuhspitzen, Frau Trimborn nestelte an den Ärmeln ihres Kleides.
»Man hat Ihnen aber äußerst knappe Fristen gesetzt«, sagte ich. »Ist das üblich?«
»Nur bei akuter Gefährdung.«
»War der Tatbestand denn gegeben?«
»Blödsinn!« entfuhr es ihr. »Entschuldigung. Natürlich nicht. Dieser Dr. Viltz, der die Briefe unterschrieben hat, ist ein aufgeblasener Wichtigtuer. Aber Behörde ist Behörde, und in dem Fall hatte er das Recht auf seiner Seite.«
»Sie hätten Einspruch einlegen können.«
»Dann hätte ich aber auch ein Gegengutachten erstellen lassen müssen. Das war mir zu teuer. Da hab ich lieber gleich saniert.«
Ich blätterte noch ein wenig. Dieser Viltz hatte wirklich alle Register gezogen und auch mit Drohungen nicht gespart.
»Sind auch Ihre Nachbarn betroffen, oder hat das Bauamt nur Sie heimgesucht?« fragte ich.
»Nicht einmal das«, sagte sie. »Es geht nur um das eine Haus.«
Was das jetzt heißen sollte, kapierte ich nicht. Beate ebenso wenig, wie sie mir mit einem Blick
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