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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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blöder Hund!« schnauzte sie. »Bring uns gefälligst hier raus.«
    »Bitte!« jammerte Beate.
    Ich erbarmte mich und geleitete die beiden Arachnophobiegeplagten den Gang entlang und die Treppe hinauf. Dann marschierte ich zurück. Als ich den Raum mit der Anrichte betrat, knackte es im Kellerraum gegenüber. Ich leuchtete hinein und erschrak. Zwischen abgefahrenen Autoreifen, einem zerschlissenen Sofa und stapelweise leeren Sperrholzkistchen stand jemand. – Eine männliche Schaufensterpuppe. Bis auf einen napoleonischen Dreispitz war sie nackt.
    Ich wartete, bis mein Puls wieder unter hundert gefallen war, und knöpfte mir dann die Anrichte vor. Der Schlüssel brach gleich beim ersten Versuch aufzuschließen ab. Nach einigem Herumgestöber entdeckte ich ein Brecheisen.
    Gegen das Eisen hatte die Tür der Anrichte keine Chance, zumal das Holz alt und spröde war. Das Einlegebrett war entfernt worden, um Platz für eine Stahlkassette zu bieten, die groß genug war, um DIN A3 ungefaltet aufzunehmen. Ich mußte sie herauszerren, denn zum Heben war sie zu schwer. Sie war unverschlossen und enthielt abgesehen von einigen Silberfischen fünf Eckspanner, einen wattierten DIN A4 Umschlag und einen Aktenordner. Wenn ich hier unten schon mal einen Blick hineinwarf, brauchte ich vielleicht nicht alles nach oben zu schleppen. Ich begann mit dem Umschlag.
    Er enthielt ein Dutzend gestochen scharfer Schwarzweißfotos mit wundersamen Motiven. Zuerst dachte ich, es seien Kreidestriche. Dann tippte ich auf Kratzspuren in Felsgestein. Parallele Linien, wie von Kufen geschliffen. Sollten das Landespuren außerirdischer Raumschiffe auf irgendeinem Gebirgsplateau sein? Hatte sich Josef heimlich als Eifel-Däniken betätigt? Auf den Rückseiten war immer das Wort »Probe«, eine fünfstellige Ziffer sowie ein Datum notiert. Sämtliche Daten lagen im Zeitraum März und April dieses Jahres.
    Im obersten Eckspanner fand ich eine handschriftlich erstellte Liste mit Abkürzungen. Zum Beispiel stand da VF-70-LH, daneben Datum und Uhrzeit. Oder VB-17-DP plus Datum und Uhrzeit. So ging das die ganze Seite runter, wobei sich manche Kürzel wiederholten. Auch hier stammten die Daten aus den Monaten März und April. Die Uhrzeiten lagen immer zwischen Mitternacht und vier Uhr früh.
    An die Liste angeklammert war ein einzelnes Foto. Es war stark gelbstichig und wirkte wie mit Hilfe eines Restlichtverstärkers aufgenommen. Mit zusammengekniffenen Augen erkannte ich das hintere Ende eines Lkws und ein Stück Gebäude oder Mauer. Zwischen Lkw und Mauer stand ein Mann mit einer Schiebermütze auf dem Kopf und hielt einen Karton in den Händen. Die Aufnahme zeigte ihn im Profil. Ich rätselte ein bißchen, aber er blieb mir unbekannt.
    Und dann war da noch etwas. Im Hintergrund des Mannes zeichnete sich deutlich ein Oval ab. Nein, Oval war falsch, es handelte sich um ein lang gezogenes, aufrecht stehendes Rechteck, dessen kürzere Seiten, also oben und unten, abgerundet waren. Setzte ich den Mann mit eins fünfundsiebzig als Maßstab an, betrug die Höhe des Rechtecks schätzungsweise einen bis anderthalb Meter.
    Ich betrachtete das Foto von allen Seiten, aber was das darstellen sollte, blieb mir schleierhaft.
    Hinter mir knackte es wieder. Ich kontrollierte noch einmal, ob Napoleon Unfug trieb, aber er hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Dafür erwischte der Lampenstrahl gerade noch eine Maus, die zwischen seinen Füßen verschwand.
    Die übrigen Eckspanner enthielten, was so im Laufe eines Lebens an Papieren zusammenkommt. Schulzeugnisse, eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Kurs zur musikalischen Früherziehung, Frei- und Fahrtenschwimmer, Jugendschwimm- und DLRG-Leistungsschein und überhaupt jede Menge Sporturkunden. Josef Deutsch schien eine richtige Kanone gewesen zu sein. Verblüfft war ich nur, als ich feststellte, daß er mein Jahrgang gewesen war. Ich hatte ihn sogar für jünger als Gina gehalten. Aber so war es nun mal: Manche Leute hielten sich eben besser als andere. Das galt auch für seinen Bruder.
    Ich knöpfte mir den Aktenordner vor. Gleich zuoberst lag das Schreiben eines Dr. jur. Adrian Hoever an Jakob Deutsch, in dem der Anwalt Jakob im Namen seines Mandanten Josef Deutsch ultimativ aufforderte, die rückständigen anderthalb Millionen aus dem elterlichen Erbe bis zum 30. Juni 1997 auszuzahlen, da man sich anderenfalls gezwungen sehe, Klage einzureichen. Ich war so baff, daß ich den Brief zweimal las.
    Auf einmal

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