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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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wurde. Als ich den Laden betrat, machte es bimbam.
    Die Einrichtung verströmte den morbiden Charme eines illegalen Wettbüros, das kurz vor der Pleite steht. Dieses Jahr hatte sich garantiert noch keine Putzfrau um das Linoleum gekümmert, und die vom letzten mußte ein Schlampe gewesen sein. An den nikotingelben Rauhputzwänden klebten Kurzbeschreibungen von Objekten. Wie sie befestigt waren, konnte ich nicht sehen. Ich tippte mal auf Kaugummi.
    Die Möbel hatten schon vor dreißig Jahren nichts getaugt und wären in ihrem jetzigen Zustand selbst beim Obdachlosenasyl im Sperrmüll gelandet. Zur perfekten Gemütlichkeit fehlten nur noch ein paar ausgeschnibbelte Fotos aus den St. Pauli-Nachrichten.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte plötzlich eine geschlechtslose Stimme von der Treppe aus, nachdem ich fünf Minuten herumgestanden und saure Luft geatmet hatte.
    Gefragt hatte mich das ein Mann, der die eins sechzig knapp und nur mit Hilfe von Spezialschuhen mit eingebauter Plateausohle überschritt. Er hatte die fünfzig längst hinter sich, trotzdem war sein Mondgesicht völlig faltenfrei, als sei er erst heute morgen auf die Welt gekommen. Fast weiße Haare machten ihn noch käsiger, als er ohnehin schon war. Bekleidet war er mit einem verknitterten braunen Anzug, einem grüngelben Hemd und einer schiefsitzenden, bekleckerten Krawatte undefinierbarer Farbe. Sein Auftreten war devot, aber in seinen Augen spiegelte sich eine Mischung aus Dreistigkeit und der Verschlagenheit seines Standes. Eigentlich entsprach sein Äußeres genau meiner Kindheitsvorstellung von jenen »Onkeln«, vor denen meine Mutter mich immer gewarnt hatte.
    »Ich dachte schon, Sie hätten auf Selbstbedienung umgestellt«, sagte ich.
    Anscheinend war er ein großer Freund von Scherzen, denn er wieherte kurz auf, wobei er quittengelbe Beißer zeigte.
    »Verzeihung«, sagte er. »Mutter ist bettlägerig und da … Nun, Sie wissen sicher, wie das ist. Nehmen Sie doch Platz.«
    Das taten wir beide, er hinter, ich vor dem Schreibtisch. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Sieben Minuten mußte ich noch überbrücken.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Wochenendhaus in der näheren Umgebung«, sagte ich. »Es dürfte aber auch eine Wohnung hier in der Stadt sein.«
    Metzen holte eine Packung Gitanes aus der Schublade. »Wollen Sie mieten oder kaufen?«
    »Nein, danke«, sagte ich, als er mir eine Zigarette anbot. »Kaufen. Ich hab ’n bißchen was geerbt, und das möchte ich anlegen.«
    Er steckte sich einen Glimmstengel an, warf den Kopf in den Nacken und pustete den Rauch kerzengerade nach oben. »An welche Größenordnung hatten Sie gedacht?«
    »Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad plus Grundstück.«
    »Ich dachte mehr an die finanzielle Dimension.«
    »Oh, ich verstehe. Eine halbe Million. Falls Sie etwas wirklich Besonderes anzubieten hätten, dürfte es auch ein bißchen mehr sein. Wie beim Metzger.«
    Er wieherte, ich lachte, und dann klingelte Gott sei Dank das Telefon. Metzen entschuldigte sich und hob ab.
    »Frau Trimborn, welche Überraschung.« Er drehte mir sein Profil zu. »Keineswegs, gnädige Frau. – Natürlich. – Ja, gewiß doch. – Jederzeit, gnädige Frau. – Ganz wie Sie wünschen. – Ich werde das sofort in die Wege leiten, gnädige Frau. – Keine Frage, gnädige Frau. – Ich melde mich unverzüglich, sobald ich … Genau. – Sehr wohl, gnädige Frau. – Auf Wiederhören.«Jetzt stand es ihm auf einmal im Gesicht, das unheilvolle Lächeln eines Kinderschänders beim Anblick unbeaufsichtigter Vierjähriger.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er und deutete auf den Apparat. »Ich müßte gerade noch mal …«
    »Business is business«, sagte ich, zwinkerte ihm zu und schaltete das Diktiergerät in der Jackentasche ein.
    Viermal drehte er die Wählscheibe mit dem Radiergummiende eines Bleistifts. Das schleifende Rücksteilgeräusch der Scheibe zeichnete ich auf. Außerdem hatte ich gesehen, daß die erste Ziffer eine Sieben war.
    »Hallo, ich bin’s«, sagte Metzen. »Ist er da? – Natürlich ist es wichtig, sonst würde ich ja nicht … Verstehe. – Gut. – Ja, ja, ja. – Danke. -Tschüß.« Er legte auf und sagte: »Scheiße!«
    »Probleme?« fragte ich.
    »Was?« Metzen fuhr richtig zusammen, er hatte mich völlig vergessen. »Herr … Herr …«
    »Schmitz«, sagte ich.
    »Herr Schmitz«, sagte er, erhob sich und komplimentierte mich in Richtung Ausgang. »Ein unvorhersehbarer Notfall. Ich muß Sie leider bitten,

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