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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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Innentasche, die Beate mir geliehen hatte. Falls X sich umdrehen sollte, wollte ich bereit sein. Auf der Terrasse und erst recht im Wohnzimmer war es ziemlich düster, weshalb ich gerne eine längere Belichtungszeit gewählt hätte, aber das war bei dem kleinen Apparat nicht vorgesehen. Der ist vollautomatisch, hatte Beate gesagt. Ihr Wort in Gottes Ohr.
    Drinnen wurde gequasselt und gequasselt. Ich verstand natürlich kein Wort, aber die erregten Gesten signalisierten einen heftigen Disput. Momentan war X an der Reihe. Eine Weile redete sie/er auf den Graumelierten ein, dann sagte sie/er etwas zu Metzen, wobei sie/er den Kopf ein wenig drehte. X hatte einen Dreitagebart. Also doch.
    Plötzlich sprang X auf, lief ein paar Schritte durch den Raum, drehte um und kam zurück. Ich nahm die Yashica vors Gesicht und drückte ab. Die kleine Kiste funktionierte tatsächlich vollautomatisch, wenn auch anders als erwünscht. Sie hatte geblitzt, ohne daß ich dazu ein Kommando gegeben hätte.
    Den Blitz hatten natürlich alle bemerkt. Metzen und der aus dem Rathaus schossen wie gezündet aus ihren Sesseln hoch, während X und ich uns einen Moment anstarrten wie zwei Elchbullen, die sich unvermutet im Busch begegnen. Dann stürzte er zur Terrassentür. Ich machte, daß ich wegkam.
    Ohne mich noch mal umzublicken, sprintete ich über den Rasen ins schützende Dickicht. Fünfzig Meter jagte ich im Slalom zwischen den Bäumen hindurch, bevor ich erstmals stoppte und lauschte. Tatsächlich – Hundegebell. Die verdammten Viecher mußten im Haus gesteckt haben.
    Welches Doping auch immer andere Sprinter bevorzugen – Ephedrin, Coffein oder sauerstoffangereichertes Eigenblut – ich steh auf Hundegebell. Nichts anderes setzt in mir ähnlich wirkungsvoll Energien frei. So war es auch diesmal.
    Ich fegte durch den Busch und schickte pausenlos Stoßgebete nach oben, der Jägerzaun möge noch stehen. Das tat er auch, und trotzdem war es knapp. Ich turnte noch auf den morschen Latten herum, als unter mir zwei Rottweiler ihren hündischen Veitstanz aufführten. Auf der anderen Seite angekommen, machte ich ein Foto von den beiden und trollte mich.
    Erst jetzt fand ich Zeit, mich darüber zu wundern, wer Mister X war. Am ehesten hatte ich damit gerechnet, daß er mir unbekannt sein würde, aber ganz im Gegenteil, ich kannte ihn. Zwar nicht persönlich, aber ich hatte ihn dutzendfach im Fernsehen und auf Titelbildern von Zeitschriften gesehen.
    Mister X war nicht Barry Gibb, obwohl er mindestens so schön war und auch so ein Quietschstimmchen hatte. Nein, Mister X war niemand anders als Kuno, der Barde. Oder, wie er sich auch selbst nannte, die Stimme der Eifel.

Kapitel 16
    Die Flüssigkeit war honigfarben.
    Ich schnupperte. »Was ist das?«
    »Pecher Mignon«, antwortete Frau Trimborn. »Pfirsich. Probieren Sie. Er ist sowohl köstlich als auch sehr bekömmlich.«
    Ich kostete. Dafür, daß ich um Likör normalerweise einen Riesenbogen machte, war er ganz annehmbar. Das sagte ich ihr auch.
    »Den bringt mir mein Neffe aus Luxemburg mit«, sagte sie. »Hier gibt es den nicht. Wenn Sie noch einen möchten, bedienen Sie sich.«
    Ich mochte und füllte auch ihr Gläschen auf. »Zum Wohle.«
    »Zum Wohle.« Sie nippte sehr damenhaft. »So – und nun spannen Sie mich nicht länger auf die Folter, junger Mann.«
    Ich faßte kurz zusammen, wie der Vormittag gelaufen war. Mein Besuch bei Metzen, die Verfolgungsjagd, mein Eindringen bei Mister X und wie ich entdeckt wurde und entwischen konnte. Als Sahnehäubchen nannte ich ihr den Namen des Hintermannes. Ihr Baffsein hielt sich in engen Grenzen. Das enttäuschte mich ein wenig.
    »Es wirkt prahlerisch«, sagte sie nach einem nachdenklichen Pauschen, »wenn man im nachhinein behauptet, das habe man sich gedacht. Aber glauben Sie mir, Kuno hatte ich tatsächlich in der engsten Wahl.«
    »Verraten Sie mir, warum?«
    »Wie Sie ja bereits wissen, entstamme ich einer alteingesessenen Münstereifeler Familie. Entsprechend sind meine Kontakte. Hier im Ort kenne ich jeden, und jeder kennt mich. Es gibt wenig, das mir verborgen bleibt, schon gar nicht, wenn es sich um Immobilien handelt. Nicht umsonst war mein verstorbener Gatte über zwanzig Jahre Vorsitzender des hiesigen Haus- und Grundbesitzervereins.« Sie hüstelte, und auch das tat sie ausgesprochen kultiviert. »Anfang letzten Jahres erwarb Kuno das ›Wirtshaus an der Rauschen‹ in der Heisterbacher Straße inklusive allen Inventars, namentlich der

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