Ritualmord
fühlte sich sauber und leicht an, und ihre Gedanken waren hell und klar, als hätte die Droge Schichten von ihr entfernt, die sie nicht brauchte.
Aus irgendeinem Grund kehrte sie immer wieder zu einem bestimmten Teil des Trips zurück: zu dem Gespräch zwischen Dad und Kaiser im Hotel.
Ist es merkwürdig, wieder in Afrika zu sein?
Das hier ist Südafrika. Nicht Nigeria. Hier ist es nicht passiert.
Sie wusste, dass dieses Gespräch eine Erinnerung war, keine Halluzination, die mit Hilfe des Ibogains ans Licht gekommen war. Aber es hatte eine andere Erinnerung geweckt: An dem Tag, als er sie mit Kaiser bekannt machte, hatte ihr Vater etwas Merkwürdiges gesagt, und sie hatte sich daraufhin gefragt, ob ihr Vater vielleicht tiefer, als er je zugab, in das verstrickt war, was immer in Nigeria passiert sein mochte.
Es lag viele Jahre zurück; sie und Thom waren noch klein gewesen und Kaisers Haus auf dem Hügel neu und unberührt von seinen ständigen Umbauten und seiner termitenhaften Wühlerei im Hügelhang. Deshalb verstand sie nicht, warum sie jetzt plötzlich nur noch an das Gespräch ihrer Eltern an jenem Tag in den achtziger Jahren denken konnte, als sie mit dem Ford Cortina die Zufahrt hinauffuhren.
»Findest du nicht, dass es ein Schlag ins Gesicht der Wissenschaft ist?« David Marley saß am Steuer; er trug eine Cordjacke und ein gepunktetes Halstuch. »Was sie in Afrika mit ihm gemacht haben? Nennen ihn und das Team unmoralisch! Ich meine, seit wann hat denn die Moral einen Platz am Tisch der Wissenschaft?«
Flea sah das alles in lebhaften Farben vor sich. Sie erinnerte sich, dass sie mit Thom auf dem Rücksitz saß und sie beide Shorts und Start-Rite-Sandalen trugen. Sie erinnerte sich an das Tal, das hinter Kaisers Haus im Nichts verschwand. Sie erinnerte sich an das Haus und sogar an Mutters Bluse mit den rosa Punkten. Aber sie erinnerte sich nicht daran, dass irgendjemand einmal genau gesagt hatte, was in Afrika mit Kaiser passiert war. Als hätten sie nicht gewagt, die Worte laut auszusprechen.
»Findest du nicht, die Universität sollte von der internationalen Gemeinschaft dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie ihn rausgeschmissen hat?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Jill Marley. »Wenn du meine Meinung hören willst - was er getan hat, war wirklich unmoralisch. Es war unerhört. Unmenschlich.«
»Unmenschlich?« David Marley brachte den Wagen vor dem Haus wütend zum Stehen. Er stellte den Motor ab und drehte sich zu seiner Frau um. »Wie kannst du das sagen? Wie kannst du das sagen} Manchmal glaube ich, du bist genauso schlimm wie der Rest.«
»Ach, Schatz«, hatte Jill achselzuckend erklärt, »das meinst du sicher nicht ernst...«
So typisch für Mum, dieses kurze Achselzucken, dieses beiläufige Heben der Schultern. Es war immer das Gleiche: Dad wollte streiten, und Mum besänftigte ihn und entschärfte die Situation, und mit diesem kleinen, zurückweichenden Achselzucken drängte sie ihn in die Ecke.
Reifen knirschten draußen auf dem Kies. Flea kehrte zurück
in die Gegenwart. Ein Wagen hatte vor dem Haus gehalten. Sie stand auf, ging zum Fenster und zog den Vorhang zur Seite, dachte, wie körnig der Stoff sich zwischen ihren Fingern anfühlte. Thom stieg aus seinem ramponierten schwarzen Wagen. Ein bisschen verträumt stand sie da und wunderte sich, denn sie hatte vergessen, dass er kommen wollte. Er hatte recht gehabt, als er sagte, sie werde es vergessen.
Er ging um das Haus herum nach hinten; blieb kurz stehen, um sich den Garten anzusehen, und für einen Augenblick war sie in seinem Kopf und sah durch seine Augen die Bäume, den See, die Seufzerbrücke, die Terrassen. Sah, wie alles auseinanderfiel.
Sie ging zur Hintertür und öffnete sie. Draußen war es wärmer als drinnen. »Hi.« »Hi.«
Er war ein bisschen unvorteilhaft gekleidet: ein abgetragener Anzug mit Krawatte, die Schuhe leicht angestoßen. Sie dachte daran, wie er in ihrer Halluzination den Abend über im Hotelzimmer inmitten ihrer Ausrüstung gesessen hatte und wie Kaiser und ihr Vater sich von ihm abgewandt hatten, damit sie unbelauscht miteinander reden konnten. Thom. Immer der Ausgeschlossene.
Sie nahm die Schlüssel des Ford Focus vom Haken an der Tür und fühlte sich immer noch ein wenig losgelöst von ihrem Körper, als wäre es gar nicht ihre Hand, die nach dem Auto- schlüssel griff. Sie reichte ihn Thom.
»Der Tank ist voll«, begann sie, aber dann musste sie innehalten, weil ihr
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