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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sprach, klang seine Stimme bedrückt. »Sie wissen von meinem Sohn?«
    »Nein«, antwortete Caffery aufrichtig und spreizte die Hände. »Nein, wissen wir nicht.« Er betrachtete die Wölbung des grau melierten Schädels. »Warum? Hat er ein Problem, Ihr Sohn? Ist er süchtig?«
    »Er war«, sagte Mabuza. »Er war süchtig. Jetzt ist er wieder okay.« Er seufzte tief. »Als wir in dieses Land kamen, war es schwierig für ihn. Sehr schwierig. Mit dem Rassismus hier hatten wir nicht gerechnet. Nicht nach dem, was uns in Südafrika gesagt worden war. Er kommt aus ganz unterschiedlichen Richtungen: von Westindern, Jamaikanern, von Kindern aus St. Lucia und Trinidad, die mit meinem Sohn zur Schule gehen, von Kindern, die genauso aussehen wie er. Mein Sohn ist ein guter Junge, sehr still. Die Jungen, mit denen er Umgang hat, schließen daraus, dass sie ihn schikanieren können. Eine Zeit lang konnten sie es auch.« Mabuzas Gedanken schienen abzuschweifen; er hatte den Kopf schief gelegt, und sein Gesicht verzog sich bei der Erinnerung. »Aber jemand hat ihm geholfen«, fuhr er fort. »Ein Drogenberater. Wenn er es nicht getan hätte, wäre mein Sohn heute tot.«
    Caffery schwieg. Seine Stimmung verdüsterte sich allmählich. Ja, etwas an der Geschichte des Sohnes klang ein wenig überzogen, melodramatisch, aber der Gesichtsausdruck des Mannes und seine Haltung ließen trotzdem erkennen, dass die Verbindung zur Drogenhilfe in eine Sackgasse führte. Die Kontoauszüge hatten nichts zu bedeuten.
    Er stand auf, ging zum Fenster und schob die Lamellen der Jalousie auseinander. Es war Nachmittag, und auf der Straße wimmelte es von Schulkindern, die sich gegenseitig anrempelten, schubsten und lachten. Als das Durchsuchungsteam mit den Kontoauszügen angekommen war, hatte er sofort zwei Mann beauftragt, ein paar der rund zwanzig Drogenberatungsstellen aufzusuchen und danach zu befragen. Aber jetzt 
    sah es aus wie eine falsche Fährte, reine Personalverschwendung, und vielleicht würden die Teppichfasern mehr hergeben. Jemand aus der Verwaltung hatte versprochen, sofort herzukommen, wenn der Laborbefund einträfe. Vielleicht wäre es das Beste, erst mal abzuwarten und Mabuza dann mit den Fasern zu konfrontieren. Manchmal kam nachmittags um vier ein Fax. Noch eine halbe Stunde bis dahin.
    Als er sich umdrehen wollte, sah er plötzlich das Gesicht des Walking Man vor sich. Du suchst den Tod, Jack Caffery. Du suchst den Tod. Er ließ die Jalousie los, rieb sich die Augen und versuchte, das Bild loszuwerden. Er drehte sich um und sah Mabuza an, der zusammengesunken am Tisch saß und wieder zwanghaft an seinem Kaffeebecher herumpulte. Kleine Styroporkügelchen hafteten elektrostatisch an seinen Ärmeln. Er ist so nervös, dachte Caffery, aber er begreift nicht, dass nichts von all dem wirklich wichtig ist. Es ist nicht wichtig, was passiert oder was wir mit unserem Leben anfangen, weil wir alle sterben. Ich sterbe, und du stirbst, Mabuza. Du wirst sterben, und alles, was du getan hast, stirbt mit dir.
    34
    10. Mai
    Dies ist das Hinterland des Grauens, ein Ort unaussprechlicher, namenloser Praktiken. Ein Land, in dem die Leichen vermisster Jungen im Ödland in der Nähe ihrer Dörfer gefunden werden, nachdem man sie bei lebendigem Leibe gehäutet und ihnen die Organe entnommen hat. Eine Niere bringt zweihundert Pfund, ein Herz vierhundert. Dein Gehirn oder dein Gehänge kann bis zu viertausend Pfund wert sein. 

    »Und mehr für ein Kind und mehr für einen Weißen«, sagt Skinny. »Ist cleverer, der Weiße. Im Geschäft ist er erfolgreicher als wir.«
    Mossy braucht lange, um zu begreifen, wo er hier hineingeraten ist. Aber langsam, ganz langsam macht er sich ein Bild davon. Zuerst mal diese Bude hier, anscheinend das Hauptquartier des Unternehmens. Mossy hat keine Ahnung, wo er sich befindet. Er kann sich nur erinnern, dass er vom Auto durch eine Tür geführt worden ist und dann durch noch eine und noch eine. Er weiß nicht mal, ob er sich überhaupt noch in Bristol aufhält. Zweitens hat er kapiert, dass es noch andere Leute in der Stadt gibt, die dem Onkel abkaufen, was er seinen Opfern nimmt. Leute aus Afrika, sagt Skinny, die hier leben und den Glauben ihrer Heimat nicht vergessen haben. Drittens sind da die Videos. Der Onkel nimmt sie auf, um den Schmerz zu dokumentieren. Und das ist es, was Mossy überhaupt nicht mehr aus dem Kopf gehen will, denn Skinny sagt, die Videos sind nicht für den Onkel allein.
    Ja, es stimmt, es

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