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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Gefallen zu tun, und der wartete jetzt darauf, dass der Kran repariert wurde, damit das Wrack gehoben werden konnte.
    Aber obwohl alles ganz vertraut und unkompliziert schien – wie hundert andere Suchaktionen ohne konkretes Ziel, die sie schon hinter sich hatte –, konnte sie nichts gegen die gespenstische Beklommenheit tun, die sich auf sie herabsenkte, während sie arbeitete. Manche Leute behaupteten, der Hafen sei seltsam: Sie redeten von unheimlichen Durchgängen, die vom Grund in eine noch tiefere Unterwelt hinabführten – wie etwa der uralte, zugemauerte Graben, der unter Castle Green verschwand und eine Viertelmeile weiter an einer dunklen, geheimen Schnittstelle drei Meter unter Wasser in den Frome mündete. Doch sie hatte hier schon Hunderte Tauchgänge absolviert und wusste, dass es nicht das war, was sie nervös machte. Auch der stellvertretende Ermittlungsleiter war es nicht, obwohl es ihr auf die Nerven ging, wie er sie anschaute, als wäre sie ein Kind – wie er ihre ganze professionelle Staffage durchdrang und sie daran erinnerte, dass das Leben furchterregend war und sie sich seit dem Unfall albern jung fühlte. Auch das genügte nicht, um ihr dieses Gefühl zu vermitteln. Nein. Im Grunde ihres Herzens wusste sie, woher das Gänsehautgefühl kam: von dem, was sie letzte Nacht in Dads Arbeitszimmer getan hatte.
    Sie versuchte, nicht daran zu denken, während sie jetzt hier in dem suppigen Wasser arbeitete. Sie hatten sich entschieden, ein diagonales Suchfeld anzulegen, und eine Ankerleine zu beiden Seiten des Hafens festgemacht, weil er an dieser Stelle schmal genug war. Dann hatten sie eine diagonale Leine zwischen den beiden gespannt, an der sie sich jetzt entlangzog, während sie mit der freien Hand hin und her fuhr. Seit fast vierzig Minuten arbeitete sie jetzt in diesem Raster, eigentlich zu lange. Nicht dass es ihr etwas ausmachte, aber oben war es jetzt dunkel, das sah sie an der Farbe des Wassers, und Dundas 
    hätte sie inzwischen herausziehen müssen. Sie wollte die ihm übertragene Autorität nicht untergraben, aber sie hatte jetzt keine Lust mehr, hin und her zu schwimmen, das Grundgewicht an der Hafenmauer entlang einen Meter weiterzuschieben, dann umzudrehen und rechts neben der Leine zurück- zurudern, langsam und dicht am Boden, und mit der Hand in einem Bogen von einem Meter Durchmesser durch den Schlick zu fahren.
    »Defensiv taktil« nannte man diese Art der Suche: taktil, weil man nur mit dem Tastsinn arbeitete, und defensiv, weil man jeden Augenblick damit rechnen musste, mit etwas Gefährlichem in Berührung zu kommen – mit zerbrochenem Glas oder Angelschnüren. Manchmal war das, was man suchte, das Letzte, was man zu finden erwartete. Ein Fuß. Oder Haare. Einmal hatte der erste Kontakt mit einer Leiche an der Nase stattgefunden: Sie war mit beiden Fingern in die Nasenlöcher gefahren. »Das wäre Ihnen nie gelungen, wenn Sie es drauf angelegt hätten«, hatte Dundas gemeint. Ein andermal hatte sie schwitzend und fluchend ein Stück Industrierohrummantelung an die Oberfläche gezerrt, von dem sie hundertprozentig überzeugt gewesen war, dass es das Bein eines dreißigjährigen Fitnesstrainers sei, der eine Woche zuvor mit einem Sprung von der Clifton Bridge Selbstmord begangen hatte. Alles stand auf dem Kopf, wenn man neutral tariert war und nur eine Handbreit weit sehen konnte. Als sie unter dem Ponton auf die Führungsleine stieß, nur zwei Meter weit vom Fundort der Hand entfernt, war sie seltsam erleichtert.
    Langsam, weil sie allmählich müde wurde, wuchtete sie das Gewicht aus dem Schlamm, bewegte es einen Meter weiter und ließ es wieder fallen. Sie hatte es gesichert und prüfte gerade, ob die Leine straff genug für den Rückweg war, als etwas passierte, das ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagte. Es war verrückt. Sie sah nichts, und nachher hätte sie nicht einmal sagen können, dass sie etwas fühlte, aber plötzlich war 
    sie aus unerklärlichen Gründen sicher, dass sich jemand bei ihr im Wasser befand.
    Sie drehte sich um, zog das Messer aus der Knöchelscheide und presste sich mit dem Rücken an die Wand. Schwer atmend umklammerte sie die Ankerleine und balancierte sich mit kurzen Bewegungen der Füße aus. Sie hielt das Messer vor sich und machte sich darauf gefasst, dass sich etwas auf sie stürzte.
    »Rich?«, sagte sie mit zittriger Stimme ins Mikro.
    »Ja?«
    »Haben Sie hier sonst noch jemanden im Wasser gesehen?«
    »Ah – nein. Ich

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