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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Blick, als brächte er ihr nur Verachtung entgegen.
    »Was machen Sie hier?«, wiederholte sie. Sie legte die Unterlagen zur Seite und stand auf. »Wie sind Sie hergekommen?«
    »Verflucht«, knurrte er. »Ich werde mich nie daran gewöhnen, wie die Leute sich gegenseitig belügen.«
    »Was?« Sie folgte ihm hinaus ins helle Tageslicht. »Was soll das heißen?«
    Aber er hörte nicht zu. Er warf den Mistgabelstiel zu Boden und packte dann Kaiser am Arm. Bevor sie sich's versah, hatte er ihn in das kleine Zimmer gestoßen. Kaiser wehrte sich nicht; er ließ sich schubsen und protestierte auch nicht, als Caffery die Tür schloss und den Schlüssel herumdrehte.
    »Hey!« Sie griff nach seinen Händen. »Was soll denn das?«

Er riss die Hand weg und steckte den Schlüssel ein. »Halten 
    Sie den Mund. Sonst können Sie mit ihm da reingehen.« Er kehrte zurück in den Korridor.
    Fassungslos über das, was hier passierte, blieb sie stehen. Dann lief sie ihm nach. »Sie wollten Jonah suchen. Das haben Sie versprochen. Was machen Sie hier?«
    Er antwortete nicht, ging in die Küche, öffnete Schränke, zog Schubladen heraus und hockte sich nieder, um hineinzuschauen. »Was ist denn?« Sie blieb in der Tür stehen und beobachtete ihn. »Was suchen Sie?«
    Er beachtete sie nicht, sondern öffnete die Tür zum Wirtschaftsraum, wo er Kisten und Müllsäcke auseinanderriss. »Ich habe Sie gefragt, was Sie suchen?«
    »Mallows' Leiche.« Er drängte sich an ihr vorbei in den Flur. »Erinnern Sie sich? Dem die Hände abgeschnitten wurden?«
    Sie starrte ihn an, als er die Treppe hinaufrannte, immer zwei Stufen auf einmal. Der Name Mallows ergab nicht gleich einen Sinn. Dann lichtete sich der Nebel. » Mallows ?« Sie lief ihm nach. Oben auf dem Absatz holte sie ihn ein; er riss Türen auf, zog Vorhänge beiseite, wühlte in Kleiderschränken.
    »Wieso, zum Teufel, glauben Sie, er ist hier?«
    Er ging ins Bad, trat gegen die Verkleidung der Wanne, schaute in den Wäscheschrank. »Ihr Kollege da unten ist ein bisschen zu nah an dem Ort, wo Mallows zuletzt lebend gesehen wurde. Und anscheinend wissen Sie über die Videos Bescheid, die er da hat. Merkwürdige Sache, dass eine aktive Polizistin über die Existenz von Foltervideos informiert ist.«
    »Die Videos?« Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ja, ja, von denen weiß ich. Aber das sind...«
    »Foltervideos. Sie zeigen, wie jemand gefoltert wird.«
    »Aber nicht Mallows.«
    »Sind Sie sicher?« Er ging ins nächste Schlafzimmer und wühlte sich durch Stapel von Kleidern und Büchern, warf einen Blick unter das Bett und riss den Kleiderschrank auf. »Sie 
    wollen sagen, auf keiner von diesen Kassetten sieht man, wie Mallows die Hände abgeschnitten werden und wie ihm sein Blut abgenommen wird? Das wollen Sie sagen?«
    »Es sind alte Kassetten. Aus den achtziger Jahren.«
    »Das behauptet er.«
    Flea kam herein und schloss die Tür. Es gefiel ihr nicht, wenn sie offen war - nicht mit den hallenden Zimmern da unten, mit den endlosen Reihen von Videos und mit Kaiser, eingeschlossen im Arbeitszimmer. Sie setzte sich auf das Bett, massierte sich die Schläfen und dachte an die Worte ihrer Mum: »Wenn du meine Meinung hören willst - was er getan hat, war wirklich unmoralisch. Es war unerhört.«
    Caffery starrte sie an. Ein Schweißtropfen rollte über seine Stirn. »Und?«
    »O Gott«, flüsterte sie und rieb sich die Arme; sie hatte eine Gänsehaut bekommen. »Ich weiß es nicht. Er ist ein Freund meines Vaters, und mir war immer klar, dass er vor Jahren etwas Unrechtes getan hat. Ich wusste nur nie, wie verflucht unrecht es war. Ich habe noch nicht alles herausgekriegt, aber er hat...« Sie ließ den Satz in der Schwebe; die Worte gefielen ihr nicht. »Ich habe acht der Videos gesehen, sie sind alle gleich. Elektroden. Die hat er benutzt. Es war ein Experiment.«
    »Ein Experiment?«
    »Ich weiß... Alles im Namen der Wissenschaft.« Sie presste die Finger an die Schläfen, als könnte das den Druck in ihrem Schädel lösen. »Damals muss es anders gewesen sein, und es war auch nicht hier, sondern in Nigeria, in Ibadan - und wissen Sie, vielleicht herrschte eine andere Ethik, denn niemand hat ihn gestoppt. Erst ganz zum Schluss. Die, äh, die Leute, die Sie gesehen haben...«
    »Ich habe nur einen gesehen.«
    »Es gibt mehr, viel mehr, aber sie haben alle zugestimmt. Ich habe die Einwilligungserklärungen gelesen; als Sie hereinkamen, war ich gerade dabei. Es

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