Ritualmord
Knie und starrte Kaiser finster an. »Meine Frage war: Was hatten Sie mit TIDARA zu tun?« »TIDARA?«
»In Glastonbury. Dort wurde Ian Mallows zuletzt lebend gesehen.«
»Ian Mallows?«
»Tun Sie nicht, als wüssten Sie nicht, von wem ich rede.«
Kaiser blinzelte und sah Flea ratsuchend an. Sie erwiderte seinen Blick. Kaiser - einer der wenigen Freunde, die sie zu haben glaubte. Und jetzt stand alles auf dem Kopf. Sie hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.
»Ich wüsste es, wenn er lügt«, sagte sie leise. »Er weiß nichts.«
Caffery seufzte. Er warf die Einverständniserklärungen auf den Tisch, lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte sich ein wenig, als entspannte er sich nach einem anstrengenden Tag. Aber das war Theater. Sie sah, dass er zitterte; das Adrenalin kreiste noch in seinem
Blut. »Man hat mir erzählt, Sie hätten dort die Arbeit beobachtet.«
»Ah, ja.« Kaiser zog ein Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn. »Es war Teil eines Forschungsprojekts. Die Resultate erscheinen im kommenden September im British Journal of Psychology. Der Einsatz von Ibogain beim Opiatentzug.«
»Erzählen Sie mir davon. Erzählen Sie mir vom Ibogain.«
Flea trat hinter Caffery und warf Kaiser einen warnenden Blick zu. Dass sie das Mittel eingenommen hatte, brauchte Caffery wirklich nicht zu wissen. Kaiser deutete auf die Bücherregale. »Darf ich? Ich habe ein bisschen Literatur.«
»Bitte.«
Kaiser erhob sich steif und ging zu den Regalen; er nahm Bücher herunter und stapelte sie vor Caffery auf. Dann setzte er sich eine zerbrochene Brille auf die Nasenspitze, blätterte in den Büchern und zeigte Caffery Fotos von Stammestänzen, Fetischen und Masken. »Ibogain kommt vom Stamm der Bwiti. Sie benutzen es, um Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu lösen.«
Flea setzte sich auf die Armlehne des Sofas. Sie wollte Kaiser bremsen können, wenn er zu weit ginge. Caffery fragte: »Benutzt man es auch bei schwarzer Magie? Afrikanischer Hexerei?«
»Afrikanische Hexerei?« Kaiser spähte Caffery über seine Brillengläser hinweg an, als wäre er ihm ein Rätsel. »Ich bin nicht sicher, welches dieser beiden Worte ignoranter und herablassender klingt - die Bezeichnung >Hexerei< für eine tiefverwurzelte kulturelle Überzeugung oder die Verwendung des universellen Etiketts >afrikanisch< anstelle des Namens eines Volkes oder wenigstens eines Staates. Selbst wenn das Konzept >Staat< ein kolonialistisches Konstrukt ist, ist es immer noch besser, als ihnen allen den gemeinsamen Stempel >afrikanisch< aufzudrücken. Sagen Sie, erinnern Sie sich noch an den Fall dieses Kindertorsos in der Themse?«
»Ich weiß, was Sie meinen, ja.«
»Wie die Polizei die Sache damals behandelt hat, auch so ein erstaunliches westliches Missverständnis vom Funktionieren des afrikanischen Kontinents. Die Genitalien des Kindes wurden nicht entfernt, wenn ich mich recht erinnere, oder?«
»Nein.«
»Schon bevor Ihre Leute mit den Untersuchungen anfingen, hätte ich ihnen sagen können, dass südafrikanisches muti bei der Suche nach den Mördern auf die falsche Spur führt. Bei südafrikanischem muti hätte man die Genitalien abgeschnitten - als Erstes. Und wie merkwürdig war es, dass Ihre Polizei, obwohl das Kind aus Nigeria stammte, nach Südafrika tendierte. Dass sie mit Nelson Mandela sprachen. Man fragt sich, was Nelson Mandela mit einem kleinen nigerianischen Jungen zu tun hat. Wenn Sie also von afrikanischer Hexerei< sprechen, vergessen Sie der Einfachheit halber, dass Sie nicht nur über einen tief verwurzelten religiösen Glauben reden, sondern von Überzeugungen aus siebenundvierzig verschiedenen Ländern und von zahllosen verschiedenen Völkern. Medizin und mystische Glaubensinhalte unterscheiden sich gewaltig von einer Region zur anderen.«
Caffery hatte etwas sagen wollen, aber etwas an Kaisers letztem Satz schien ihn zu irritieren. Er schwieg und dachte darüber nach, dann runzelte er die Stirn. »Können Sie konkret sagen, aus welcher Gegend ein bestimmter Glaube oder Aberglaube kommt?«
»Ziemlich konkret, ja - ziemlich.«
Caffery musterte ihn nachdenklich. »Haben Sie schon mal vom Tokoloshe gehört?«, fragte er.
»Wovon?«, erkundigte sich Flea.
»Vom Tokoloshe«, antwortete Kaiser. »Man sagt, er sei das Produkt einer Paarung zwischen einer menschlichen Frau und einem Pavian, und tatsächlich hört man gelegentlich anekdotische Berichte über Frauen,
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