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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Weile weiter. Dann gibt Skinny ein seltsames Geräusch von sich. Er steht auf, geht zu der Gittertür und klopft dreimal an die Stäbe. Ein Signal.
    Mossy lässt die Hände sinken. »Was machst du da?«, schreit er. »Wo willst du hin? Geh nicht weg, verdammt!«
    »Onkel«, sagt Skinny leise. Seine Stimme klingt gepresst und ein bisschen verlegen. Er drehte sich nicht um. »Ich werde mit dem Onkel sprechen.«
    »Mit wem?«, fragt Mossy. »Wer ist denn dieser Scheiß…« Aus dem Korridor kommt ein Geräusch. Ein Lichtstrahl, die Umrisse einer Gestalt, und die Worte bleiben in Mossys Mund kleben. Er wird ganz still. Ganz leise, ohne Skinny aus den Augen zu lassen, steht er auf und tastet sich bis ans Ende des Sofas zurück; dort hockt er sich in der Ecke auf seine Hände, als ob ihn das schützen könnte. Es ist zu dunkel, um zu erkennen, wer dieser neue Typ ist, aber er sieht aus wie ein Mann. Der Fahrer? Einen Augenblick lang kann er Hände in Handschuhen sehen, die das Gitter aufschließen, und dann schlüpft Skinny hinaus. Das Gitter klirrt, als es wieder geschlossen wird, und jetzt ist Mossy allein in der Stille.
    Lange Zeit bewegt er sich gar nicht; er starrt nur die verschlossene Gittertür an und erwartet, dass jemand zurückkommt. Aber die Minuten verstreichen, und nichts passiert. Ihm ist, als wäre eine Stunde vergangen, ohne dass jemand erschienen ist. 

    Vorsichtig steht er auf und geht umher; er atmet stoßweise wie ein Athlet – ein Witz bei jemandem mit seiner Figur. Er versucht seine Beine elastisch zu halten, geht halb geduckt vor dem Gitter auf und ab, sodass er es niemals länger als ein paar Sekunden aus den Augen lassen muss. So streift er durch den Raum und kontrolliert jede Ecke fast nur mit dem Tastsinn.
    Das Zimmer ist ein perfektes Quadrat. Es muss einmal ein Schlafzimmer gewesen sein, denn an manchen Stellen klebt eine Mädchentapete, mit Reihen von Ballerinen. An einem Ende befindet sich ein kleiner Flur, und an dessen Ende liegt ein Bad. Für einen kurzen Moment wendet er den Blick von der Gittertür, um hineinzuspähen. Und dann wünscht er, er hätte es nicht getan.
    Schweres Sadomaso-Gerät ist an die Wände geschraubt – zweifellos ist so was hier mal gelaufen. Auf dem Boden zusammengerollt liegt ein gelber Industrieschlauch, wie man ihn benutzt, um Fabrikanlagen zu reinigen. Der Schlauch sagt mehr als alles andere: Er sagt, dass nach dem, was hier passiert oder passieren soll, sauber gemacht werden muss. Unter einem Fenster steht ein zerbrochenes Klo. Das Fenster ist vergittert, wieder mit einem SITEX-Gitter, da kommt man nicht raus, aber im Korridor gibt es noch ein Fenster, und das Gitter davor ist übergroß und reicht bis runter auf den Boden, und da unten ist es aufgebogen, als hätte sich da irgendwas durchgezwängt.
    Er setzt sich auf den Boden, mit dem Rücken zur Wand, und probiert, den Kopf in die Lücke zu stecken. Er kriegt die Schultern rein – und wenn er den Kopf dreht, kann er über sich graues Tageslicht sehen. Das muss nach draußen führen, aber als er versucht, sich etwas höher zu schieben, merkt er, dass er festklemmt. Er kommt nicht weiter. Er strampelt ein bisschen, um das letzte Stückchen weiterzukommen, aber das Gitter schneidet so hart in sein Rückgrat, dass es sich anfühlt, als müsste es gleich brechen. Jeden Augenblick kann jemand 
    auftauchen und ihn hier eingeklemmt finden; also rutscht er wieder herunter, zurück in den Korridor, Zentimeter für Zentimeter, und das Gitter gräbt sich in seine Haut. Als er sich befreit hat, ist sein T-Shirt über den Kopf gerutscht und an seinem Rücken die Haut aufgeschürft.
    Er steht auf und zieht das T-Shirt herunter. Jetzt fröstelt ihn, und er hasst diesen Raum. Abgesehen von der Gittertür und den beiden Fenstern gibt es nur noch einen Zugang. Er weiß es noch vom letzten Mal, denn da hat es ihn an einen Tierkäfig erinnert. Es ist ein Loch in der Wand, roh in die Hohlblocksteine gehauen, in Form und Lage wie ein offener Kamin. Aber auch da wurde ein Eisengitter eingesetzt, und so ist es versperrt wie die Tür, durch die Skinny verschwunden ist. Man könnte sich vorstellen, dass ein Löwe dahinter sitzt oder ein Tiger. Er geht in die Hocke, und auf der anderen Seite des Gitters sieht er einen Haufen Kleider. Er will eben danach greifen, als die Gittertür rechts von ihm geöffnet wird.
    Mossy flitzt hinter das Sofa, duckt sich und fängt vor Angst wieder an zu weinen, aber es ist nur Skinny. Eine Gestalt

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