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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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das Treppenhaus mit den Graffiti an den Wänden, an denen das Wasser herunterlief. BM funkelte ihn an und wartete darauf, dass er etwas sagte, dass er entweder wegging oder Krach anfing. Aber Caffery tat nichts dergleichen. Er hustete laut, lächelte den Jungen an und schaute dann wieder ins Treppenhaus hinauf, als wären sie zwei Leute an der Bushaltestelle, die auf dasselbe warteten. Als hätte er alle Zeit der Welt und könnte ewig hier warten. Irgendwo in seinem Kopf war es ihm eigentlich egal, ob der BM mit ihm redete oder nicht
    Seit dem vergangenen Abend konnte er nur an das denken, was der Walking Man ihm sagen würde. Trotzdem, er musste sich konzentrieren, er hatte immer noch eine Verpflichtung gegenüber dem jämmerlichen drogengeilen Freak, dem jemand die Hände abgeschnitten hatte.
    BM nahm die Hände aus der Tasche, schnalzte mit der Zunge an den Zähnen, wie es die Jamaikaner in Deptford taten, und schwang sich auf die Treppe nach oben.
    »BM«, sagte Caffery gelassen. »Ich kannte mal jemanden namens BM in London. Weißt du, woher er den Namen hatte?«
    BM zögerte auf der Treppe. Caffery sah die schmutzigen Sohlen seiner Ice-Cream-Reeboks. »Er hatte diesen Namen, weil er ein Dealer war. Der Bag Man. BM. Bag Man. Bei dir bedeutet es wahrscheinlich was anderes, hm? Oder soll ich deinen Bewährungshelfer fragen?« 

    Es war still. Irgendwo im Haus kam die Titelmusik von This Morning aus einem Fernseher. Nach einer Weile ging BM in die Hocke und schob das Gesicht durch das Treppengeländer. »Ich hab keinen Bewährungshelfer«, zischte er. »Bin nicht vorbestraft.«
    »Möchtest du das ändern?«
    Wieder war es lange still. Dann setzte BM sich auf die Treppe. Man hörte, wie er atmete, und dann, wie er verstohlen einen kleinen Beutel aus der Tasche zog und unter einer Wohnungstür hindurchschob. Caffery hörte es und merkte sich, wo die Tür war, aber er rührte sich nicht. Es ging darum, dass BM das Gesicht wahren konnte. Nach einer Weile kam er auf quietschenden Turnschuhen die Treppe herunter, die Hände in den Taschen seiner tiefsitzenden Jeans.
    »Was denn?«, fragte er missgelaunt. »Was wollen Sie denn machen?«
    Caffery zeigte ihm das Foto. BM rieb sich mit dem Handrücken die Nase und trat in seinen Reeboks von einem Fuß auf den andern. »Das ist Mossy, oder? Was hat er gemacht? Sitzt im Knast, was?«
    »Er wird vermisst.«
    »Und Sie glauben, vielleicht hab ich ihn?«
    Caffery steckte das Foto wieder ein. »Jemand hat ihm die Hände abgeschnitten. Mit einer Bügelsäge, wie man sie in jedem Werkzeugladen am Ende der Straße kaufen kann. Wahrscheinlich auch umgebracht, aber das wissen wir nicht mit Sicherheit, weil die Leiche noch nicht aufgetaucht ist.«
    BMs Schuljungenwangen verloren ihren rosaroten Hauch. Er ließ sich auf die unterste Treppenstufe fallen und spreizte die Beine. Einen Augenblick lang flatterte seine Hand, als wollte er Halt suchend an das Geländer greifen, aber Caffery beobachtete ihn, und er ließ es bleiben und stützte die Ellbogen zittrig auf die Knie. »Alles okay, Junge?«
    »Das hat er gemeint«, murmelte BM. »Das hat er gemeint.« 

    Schweißperlen traten auf seine Oberlippe. »Vor ‘ner Ewigkeit hat er mal was zu mir gesagt. Er war auf Turkey, als er es sagte, und ich dachte nur, er dreht durch, wissen Sie, und redet dummes Zeug.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass er jemanden getroffen hätte. Er war bei einer von diesen wohltätigen Entzugstherapien gewesen, in einem von diesen Läden, die einen angeblich vom Stoff runterbringen, was sie aber nicht tun. Alle hängen da nur rum, weil sie hoffen, jemanden zu treffen, von dem sie was kriegen können.«
    »Weißt du noch, wo das war?«
    »Da kommen hundert verschiedene in Frage. Die sind ja überall. Aber in Knowle West war es nicht. Das weiß ich bestimmt, denn keiner aus der Siedlung, der fixt, würde da sein Gesicht zeigen.«
    »Und wen hat Mallows getroffen?«
    »Keine Ahnung.« BM schob die Hände in die Taschen, stand auf und schaute vom Treppenhaus hinaus in die trostlose Wohnsiedlung. Überall waren Polizisten in Hausdurchgängen und auf Balkonen, die von einer Tür zur anderen gingen. Dann kam er zurück und drückte sich in den Schatten, vergewisserte sich, dass niemand ihn hörte. Als er sich zu Caffery umdrehte, war seine Miene angespannt. Von dem rosawangigen Schuljungen keine Spur mehr. »Er hat was Komisches gesagt. Er hat gesagt, da würde Leuten was zustoßen. Ich erinnere mich jetzt – er

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