Ritualmord
man nachgehen sollte?«
»Nur, dass er Afrikaner ist und dass es da möglicherweise einen Zusammenhang gibt. Zwischen der Tatsache, dass er Afrikaner ist, und der, dass die Hände so dicht am Eingang seines Restaurants vergraben wurden.«
Caffery lachte. Wollte sie sich einen Spaß mit ihm erlauben? »Das ist ein Witz, ja? Ich soll jetzt herausfinden, was Sie damit sagen wollen.«
Einen Augenblick lang schwieg sie. »Es geht mich nichts an«, brummte sie und kratzte sich abwesend am Kopf. »Aber ich versuche mir zu erklären, wie diese Hände unter das Restaurant gekommen sind.«
»Ich glaube, das ist nicht mehr nötig, wir brauchen nur auf den nächsten geplatzten Drogendeal zu warten. Der Fundort spielt in den Ermittlungen keine Rolle mehr.«
»Nicht?«
»Nein. Wir halten uns jetzt an das Opfer. Er hat eine beachtliche Junkiekarriere, hat immer wieder versucht, clean zu werden – Sie kennen die Geschichte: ein ganzer Berg von gerichtlichen Entzugsverfügungen. Der einzigen Zeugenaussage zufolge, die wir heute aufnehmen konnten, hatte er eine Scheißangst wegen etwas, das ihm in einer Drogenberatung passiert ist. Dem gehen wir im Augenblick nach. Da gibt’s ungefähr hundert Drogenberatungsstellen, die abgeklappert werden müssen, und ich glaube – « Er brach ab. Fleas Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Ihr Blick war plötzlich hart und wachsam, und er fragte sich, ob er sich mit ihr anlegen solle. »Und ich glaube, da werden wir auf seine Spur stoßen«, beendete er nachdenklich den Satz. Sie starrte ihn immer noch an. »Was ist? Warum sehen Sie mich so an?«
»Nichts weiter«, erwiderte sie. »Ich sollte Sie Ihre Arbeit tun lassen.« Sie trat einen Schritt zurück, ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, als rechnete sie damit, dass er sich gleich auf sie stürzen werde. Dann wandte sie sich zum Gehen; sie zog ihr Handy aus der Tasche und hämmerte mit dem Daumen eine SMS in die Tasten.
Irgendwo hatte Caffery gehört, dass Teenager von den vielen SMS-Nachrichten überentwickelte Daumen bekamen – und zu gern hätte er eine entsprechende Bemerkung gemacht.
»Flea?«
Sie blieb stehen und steckte das Telefon ein, als hätte er sie mit einer Bombe in der Hand ertappt. »Ja?«
»Ich bin neu hier. Neu in dieser Gegend.«
»Das weiß ich.«
»Ich hatte gehofft, jemand könnte mir ein paar Tipps geben. Zu Bristol. Sie wissen schon.« Und weil es klang, als wollte er sich mit ihr verabreden, fügte er hastig hinzu: »Ich suche eine Baumschule. Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich eine finde.«
Er war nicht sicher, aber ihm war, als huschte ihr Blick hinunter zu seiner Hand und dem Ringfinger. »Eine Traumschule«, sagte sie abwesend. »Ich könnte mich umhören. Wie alt ist Ihr… Sohn? Oder Tochter?«
Sie hatte sich verhört. Er lächelte, halb über die Absurdität des Missverständnisses, und halb, weil er sich töricht vorkam, sich nicht als Vater präsentieren zu können, während alle anderen in seinem Alter es längst waren. »Nein«, sagte er langsam. »Ich meine eine Baumschule. Eine Gärtnerei. Ich will Pflanzen kaufen. Ein paar Blumenzwiebeln. Das ist alles.«
Ihre SMS war an Tig gerichtet gewesen. Das Bild aus Kaisers Buch spukte ihr im Kopf herum, und was immer sie tat, sie wurde den Gedanken an die Hände unter dem Restaurant einfach nicht los, und so hatte sie fast den ganzen Tag über ver-
sucht, Tig dazu zu überreden, sie mit dem Eigentümer des Moat bekannt zu machen. Anfangs war er entsetzt gewesen und hatte sich eine Zeit lang großspurig über Berufsethos verbreitet – »meins und deins, übrigens« –, aber schließlich hatte er sich, wenn auch widerwillig, dazu bereit erklärt – und ob sie nicht nach Feierabend bei ihm vorbeikommen wolle. Das wäre ihr recht gewesen, bis Caffery ihr von Mallows erzählt hatte. Jetzt machte sie sich Sorgen.
Wenn die Kriminalpolizei sich Drogenberatungsstellen vornahm, würde Tig früher oder später auf ihrem Radar auftauchen – und was würden sie dann wohl aus seiner Vergangenheit machen, zumal wenn herauskäme, dass er den Eigentümer des Moat kannte? Außerdem: Wenn die Zivilfahnder vor seiner Tür stünden, würde er Flea verdächtigen, die Kugel in seine Richtung gelenkt zu haben. Es würde auf zweifache Weise unangenehm werden. Und sollte sich herausstellen, dass Mallows als Klient bei User Friendly, Tigs Drogenberatung, gewesen war, dann wäre die sprichwörtliche Substanz wirklich am Dampfen. Immerhin, dachte sie, als
Weitere Kostenlose Bücher