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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Interesse. »Ich bleibe nicht lange.« Dann hatte er das Bild gefunden. Es war bei einer Veranstaltung der Handelskammer aufgenommen worden und zeigte Mabuza mit einem Glas Rotwein in der Hand, wie er sich eindringlich mit einem Stadtrat unterhielt. Er trug einen Anzug, und auf seinem grau melierten Haar saß eine traditionelle mo-korotlo-Mütze. Caffery nahm es aus der Hülle und schob es ihr hinüber. »Dieser Mann. Schon mal gesehen?«
    Rochelle warf einen kurzen Blick auf das Foto und sah dann wieder Caffery an. »Ja, das ist Gift, Kwaneles Kumpel.«
    Caffery schloss für einen Moment die Augen.
    »Was ist?«, fragte Rochelle. »Was hab ich gesagt?«
    »Nichts weiter.« Er steckte das Foto wieder ein. Was für ein Vollidiot er gewesen war, dass er sie nicht schon gestern ge- 
    fragt hatte. Er legte die Mappe beiseite, setzte sich auf das Sofa und sah sich im Zimmer um; sein Blick wanderte über den Nippes, die kleinen Vasen, die gerahmten Fotos der Kinder, und er entdeckte das Bild einer Katze - genauer gesagt, eines Kätzchens: Es saß in der Sonne und putzte sich das Gesicht.
    »Rochelle«, sagte er, »erinnern Sie sich, dass Sie mir erzählt haben, Kwanele habe Angst vor einem Teufel gehabt?«
    »Vor einem Teufel? Das werde ich wohl kaum vergessen, oder? Der Tokoloshe. Hat ja dauernd nur an dieses verdammte Ding gedacht.«
    »Ja.« Er musterte ihr Gesicht. »Der Tokoloshe. Und was hat er Ihnen über ihn erzählt?«
    »Na, das ist es ja gerade. Er hat mir nie etwas Genaues erzählt. Er hat immer nur mit Teesh gesprochen.« Sie rief ins Wohnzimmer: »Hey, Letitia?«
    »Was?«
    »Komm mal kurz her, Schätzchen.«
    Nach einer kurzen Pause erschien eins der Mädchen in der Tür, mürrisch und mit gesenktem Kopf.
    »Was?«
    »Sag hallo zu Mr. Caffery.«
    »'lo«, sagte sie.
    »Manchmal glaube ich, sie mochten Kwanele mehr als ich. Stimmt's nicht, Teesh, mein Schätzchen? Ihr mochtet Kwanele?«
    »Ja.'scheinlich.«
    »Hat euch ein Wii geschenkt, nicht?«
    »Ja. Er war cool.«
    »Aber jetzt, Baby«, sagte Rochelle. »Erinnerst du dich an den Tokoloshe? Du musst Mr. Caffery davon erzählen.«
    Letitia schaute über ihre Schulter zurück und betrachtete die Fußleiste hinter sich - als interessierte sie sich vor allem dafür und nicht für Caffery. »Ist ganz klein. Wohnt im Fluss. Sieht schwarz aus.« 
    »Sprich lauter.«
    »Ich habe gesagt, er ist klein. Er ist schwarz. Er ist verwachsen. Er wohnt im Fluss, und er ist immer nackt. Okay?«
    »Letitia«, sagte Caffery langsam, »woher weißt du das alles? Hat Kwanele mit dir darüber gesprochen?«
    »Jaa-aa.« Sie ließ die einzelne Silbe auf- und wieder absteigen, sodass sie wie ein ganzer Satz klang: Ja, mein Gott, weißt du das denn nicht? Wo hast du denn die ganze Zeit gelebt, du Muppet? »Er hat ja praktisch dauernd nur davon geredet.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »'ne ganze Menge. Er frisst Menschen. Einmal hab ich ihn auch gesehen.«
    »Teesh«, meinte Rochelle warnend, »Mr. Caffery ist von der Polizei. Du musst jetzt die Wahrheit sagen, nicht das, was Kwanele dir zu sagen aufgetragen hat.«
    Letitia sah ihre Mutter und dann Caffery an. »Ich hab ihn gesehen«, beharrte sie. »Er war total unheimlich. Mum glaubt einfach nie, was ich sage.«
    »Ach, jetzt geht das wieder los.«
    Caffery hob beschwichtigend die Hand. »Letitia, wo hast du ihn gesehen?«
    »Unten am Fluss. Wo Kwaneles Lagerschuppen war.«
    »Und hat ihn sonst noch jemand gesehen?«
    »Bloß er und ich. Es war abends. Er hat mich mitgenommen und wollte - wie hieß das, was er machen wollte, Mum?«
    »Inventur.«
    »Inventur wollte er machen. Und es war schon spät, und als wir aus dem Lagerschuppen kommen, ist da so ein Geräusch im Gebüsch, wie von nem Vogel oder so was, und dann kommt da dieses Ding, irgendwie halb gebückt. Und Wasser läuft von ihm runter. Deshalb dachten wir beide, es sei aus dem Fluss gekommen.«
    »Okay«, sagte Caffery, und in seinem Kopf spukte der Zwerg aus Marilyns Präsentation, der Ponton vor dem Moat 

    am späten Abend. »Du sagst also, Kwanele hat es auch gesehen?«
    »Ja - und er hat totale Angst. Fängt an, so zu machen...« Sie legte sich eine Hand auf die Brust und begann, schnell ein- und auszuatmen, zu hyperventilieren. Es war gespenstisch, fand Caffery, hier in der Sonne zu sitzen und zu beobachten, wie dieses kleine Mädchen die Szene vorspielte. »Und dann legt er mir die Hand auf die Augen und schiebt mich ins Auto und springt hinter mir rein. Wir

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