Ritualmord
abzuwehren und vom Geschäft des Opfers fernzuhalten wäre. Menschenblut. Und, zum Beweis dafür, dass die Ware echt war, noch ein Video, entweder echt oder raffiniert gefälscht.
Mabuza. Caffery war ihm noch nicht begegnet, aber er erinnerte sich an die Stimme: ziemlich ruhig und gemessen, ein wenig zu kultiviert, um kein Unbehagen aufkommen zu lassen. Er zog sein Diensthandy heraus und gab eine Nummer ein, um zu veranlassen, dass Interpol Diamini aufspürte. Dann würde das Überwachungsteam an Mabuzas Haustür klopfen
und den Mann höflich fragen, ob er etwas gegen eine Hausdurchsuchung einzuwenden habe; ihm dann ebenso höflich anbieten, ihn zum Revier zu fahren. Denn Caffery würde ein bisschen früher mit ihm sprechen, als er gehofft hatte.
Das Telefon stellte klickend seine Verbindung her, und Caffery ließ den Blick über die Skyline von Nailsea wandern. Er dachte an einen Menschen mit Zwergenbeinen: ein gedrungenes halbtierisches Geschöpf, das durch die Straßen rannte, gerade so groß, dass es einem Mann bis zum Knie reichte. Und er dachte an afrikanische Hexenkunst, an mystische Rituale hinter verschlossenen Türen. Irgendjemand inszenierte das alles, davon war er überzeugt; trotzdem musste er blinzeln, um sich zu vergewissern, dass er nur Himmel und Häuser sah, denn in diesem Augenblick, hier in der Sonne, war er nicht sicher, ob ihm das Bild des Tokoloshe je wieder aus dem Kopf gehen würde.
32
17. Mai
Achtzehn Stunden, nachdem der Ibogain-Trip angefangen hatte, erwachte Flea auf Kaisers Sofa wieder zum Leben und erinnerte sich nach und nach, wer und warum sie hier war. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie auf einem anderen Planeten gewesen und bemühte sich noch immer, den Weg zurück in ihren Körper zu finden. Behutsam setzte sie sich auf und blinzelte in das erste graue Licht des Morgens, das durch das Fenster hereinsickerte. Nach einer Weile zog sie die Füße auf das Sofa und streifte langsam, sehr langsam die Socken ab.
Das Problem mit ihren Füßen hatte ein paar Tage nach dem
Unfall begonnen, und inzwischen war es so weit gekommen, dass sie sich schämte, die Schuhe auszuziehen, wenn jemand dabei war. Ihre Füße waren von Adern durchzogen und unförmig, steif verkrümmt wie die eines Affen oder Lemuren - sie erinnerten sie an die Hand, die sie aus dem Hafen geholt hatte, und an die brutale Art und Weise, wie sie vom Körper getrennt worden war. Versuchsweise drückte sie die Häute zwischen den Zehen mit Daumen und Zeigefinger, und einen Moment schienen sie sich zu verflüssigen, sodass ihre Zehen sich wieder frei bewegen konnten. Dann hörte sie damit auf und bemühte sich stillzuhalten und zu warten, bis die Wirkung der Droge nachließ. Nach einer Weile wurde ihr Blick klar, und die Häute waren wieder da und verbanden die Zehen miteinander. Das Leben war so unberechenbar. Was man am längsten im Kopf behielt, waren immer Dinge, die man nicht vorhergesehen hatte.
Sie zog die Socken an und wollte sich gerade wieder auf das Sofa rollen, als etwas sie innehalten ließ. Jemand beobachtete sie. Unter der hochgerollten Plastikplane in der Tür stand bewegungslos eine Gestalt.
Einen Augenblick lang war es, als regte sich nichts in ihrem Körper, nicht ihr Herz, nicht ihre Lunge, denn was sie da sah, war eine tote Kreatur, die auf dem Boden hätte liegen müssen und stattdessen in der Tür stand. Ihre Kleider blähten sich wie die ihrer Mum im Boesmansgat. Das Gesicht bestand aus Knochen.
»Mum ?«, flüsterte sie. »Mum?«
»Ganz ruhig«, sagte die tote Kreatur, und es war nicht Mums Stimme, sondern Kaisers. »Flea?«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich flüsterte sie heiser: »Kaiser?«
Die Kreatur bewegte sich und drehte das Gesicht, und dabei erschien Kaiser von innen und lächelte aus dem Kadaver heraus. Ihr Blick klärte sich, und es war wieder nur Kaiser.
Er trug, ganz ungewöhnlich für ihn, ein weißes Hemd und sah sehr müde aus. »Phoebe?«, sagte er und kam herein. »Wie geht's uns?«
Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Alles in Ordnung?«
»Ja. Ich meine... es ist noch da. Die Droge, sie ist noch da.« Sie leckte sich die Lippen und versuchte, nicht an die Totenmaske zu denken. »Ich meine, du... jetzt gerade... ich dachte...«
»Ja?«, fragte er und kam einen Schritt näher. Sie hatte vergessen, wie groß er war. Wie groß und wie schwer sein Kopf.
»Nichts.« Sie rieb sich die Augen und zog die Füße unter sich.
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