Ritualmord
kommen nach Hause, und er zittert und weint immer noch und spricht Afrikanisch, und er sagt, er wird was dagegen machen. Ich meine, das ist doch gruselig, oder?«
»Aber er wusste, dass es der Tokoloshe war?«
»O ja. Er sagte bloß, es wäre ein Glück, dass er und sein Freund jemanden hätten, der wüsste, was man dagegen tun muss.«
Caffery beugte sich vor. »Was hat er damit gemeint?«
Sie zuckte die Achseln. »Jemanden, der wüsste, wie man den Tokoloshe loswird. Damit er aufhört, bei der Arbeit in seine Nähe zu kommen und so.«
»Hat er gesagt, wie sein Freund heißt?«
»Nein, das hat er nie gesagt.«
Caffery wandte sich an Rochelle. »War das um dieselbe Zeit, als er das Tongefäß gekauft hat, das ich gestern mitgenommen habe?«
»Ja«, sagte sie. »Da ging das alles los.«
Caffery stützte den Ellbogen auf die Armlehne des Sofas, umfasste sein Kinn mit einer Hand und legte den Zeigefinger an die Nasenspitze. Er überlegte angestrengt. Jemand hatte Kwanele Diamini geholfen. Dieser Freund - das musste Mabuza sein.
»Letitia«, begann er nach einer Weile, »du bist sicher, dass du den Tokoloshe wirklich gesehen hast?«
»Natürlich. Hab ich doch gerade erzählt, oder?«
»Teesh«, fauchte Rochelle, »die Wahrheit. Hast du gehört?«
»Das ist die Wahrheit. Das hab ich doch gesagt.«
»Es ist das, was du sagen sollst, weil Kwanele es so wollte.«
»Nein«, beharrte das Mädchen. Sie starrte ihrer Mutter in die Augen und wurde langsam rot. »Er hat nicht gesagt, dass ich es so sagen soll. Es ist so passiert. Ich sage die Wahrheit.« Sie seufzte tief. »Scheiße, wieso hörst du mir nie zu?«
Bevor Rochelle etwas antworten konnte, hatte Letitia auf dem Absatz kehrtgemacht und war mit geballten Fäusten im Wohnzimmer verschwunden. Sie sagte etwas zu ihrer Schwester, und die stand auf und warf ihrer Mutter einen vielsagenden Blick zu. Dann hörte man Schritte auf der Treppe, und oben wurde eine Tür zugeworfen.
Rochelle atmete aus und sah Caffery verzweifelt an. »Haben Sie Kinder, Mr. Caffery? Kleine?«
Er schüttelte den Kopf und dachte an das, was Letitia gesagt hatte: Er sagte bloß, es wäre ein Glück, dass er und sein Freund jemanden hätten, der wüsste, was man dagegen tun muss. Er dachte an Dinge, an die er noch nie gedacht hatte.
»Tja«, meinte Rochelle, »ich gebe Ihnen einen guten Rat. Schaffen Sie sich auch keine an. Denken Sie nicht mal dran.«
Draußen vor Rochelles Haus wartete ein kühler Frühlingstag. Die grellgrünen Zierbäume und der gepflegte Rasen in der Wohnanlage regten sich hin und wieder sanft in der Brise. Aber für Caffery, der im Wagen saß, beide Hände auf das Lenkrad gestützt, hätte es ebenso mitten im Januar sein können. Er dachte nicht an die Blüten an den Zweigen, an die Sonne, die hoch am Himmel stand, oder an den leichten Anstieg der Temperatur. Er dachte an Kreise. An Ringe.
Kriminelles Verhalten war wie ein Schwamm: Es saugte andere auf. Fast jeder Idiot, den er im Lauf der Jahre geschnappt hatte, war von einem kleinen Gefolge umgeben. Wenn man
es sich überlegte, war es nicht viel anders als in jeder anderen gesellschaftlichen Gruppe. Jede wies eine andere Struktur auf, eine andere Größe, eine andere Satellitenanordnung, aber alle hatten eins gemeinsam: einen Führer. Manchmal war die Gruppe so locker, dass der Betreffende es gar nicht bemerkte, dass er der Boss war. Aber im Allgemeinen wusste derjenige, der in einem solchen Verband das Kommando führte, ganz genau, was er tat.
Irgendwo hier in Bristol hatten irgendwelche Leute mehr Kenntnisse über den afrikanischen Kontinent, als gut für sie war. Sie wussten auf jeden Fall ein bisschen zu viel über afrikanische Rituale und Überzeugungen; sie wussten sehr genau, wie tief verwurzelt der Aberglaube bei den Menschen war, und das Wichtigste: Sie wussten, wie viel Geld sich mit der Angst verdienen ließ. Es wäre ein Leichtes, die hier im Land lebenden reichen Afrikaner ausfindig zu machen. Es wäre auch nicht schwierig, irgendein armes Schwein aufzutreiben und ihm einen lächerlich großen Dildo umzuschnallen, ihn mit irgendeinem Zeug einzuschmieren und dann der richtigen Person im richtigen Augenblick erscheinen zu lassen. Nicht allzu offensichtlich, eher schemenhaft. Als Schatten. Gerade so, dass ein abergläubischer Mensch davon überzeugt wäre, von einem Dämon verfolgt zu werden. Und dann würde der Boss des Unternehmens zuschlagen und die Mittel anbieten, mit denen der Tokoloshe
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