Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Wolfes schnellte aus der Schlucht. Blut haftete an seiner Schnauze, das von einem der Hunde stammen musste. Er sah die Menschen, die ihn eingekreist hatten, und wollte auf der Stelle durchbrechen.
    Den ersten Schuss gab Lieutenant Antoine ab, de Morangiès und die übrigen Jäger reagierten unmittelbar nach dem Krachen der Muskete. De Beauternes Kugel traf den Wolf im Sprung in die rechte Schulter, etliche weitere Projektile gingen fehl, aber eines traf den Kopf. Blutige Fellstücke und ein Ohr wurden davon geschleudert, das Tier brach zusammen.
    Als sich der Pulverdampf lichtete, verharrten Jean und Malesky immer noch, die Mündungen auf den dunklen Ausgang gerichtet. Nach und nach kamen die Hunde herausgelaufen und sammelten sich um den erschossenen Wolf. In das Gekläffe mischten sich Jagdhörner, die von einigen der Männer im Triumph geblasen wurden und weithin verkündeten, dass der Schrecken im Gevaudan erlegt worden war.
    »Meine Hochachtung«, sagte der Comte und verneigte sich vor de Beauterne. »Ihr habt die Bestie erlegt!« Angesichts der Tatsache, dass seinem Rivalen soeben das gelungen war, wonach er sich gesehnt hatte, wirkte er sehr gelassen.
    »Meinen Dank, Comte. Messieurs?« De Beauterne drehte den perückengezierten Kopf verwundert zu Jean und Malesky, die ohne Unterlass den Spalt anvisierten. »Ihr rechnet mit zwei …«
    Urplötzlich sprang der vermeintlich erschossene Wolf auf und attackierte den Abgesandten des Königs, der im letzten Moment seine Muskete zur Abwehr hinhalten konnte. Er sah, dass die Kugel lediglich über den Schädel geschrammt war, ohne ihn zu durchdringen. Die Zähne des verwundeten Wolfs schlugen sich in das Holz und Metall der Waffe und brachen ab, was das Tier noch rasender machte.
    Die Jäger schossen, wieder traf eine Kugel. Doch der Wolf schnellte zurück, blickte sich um und bewegte sich im Zickzack auf eine Stelle in der Kette zu, wo der Abstand zwischen den Männern größer war. Er lief aufreizend langsam, als wollte er seine Überlegenheit zur Schau stellen.
    »Ihr oder ich, Monsieur Chastel? Er wird sonst flüchten«, fragte Malesky leise über den Hahn seiner Muskete hinweg.
    »Schießt den Wolf, wenn Ihr wollt, Monsieur Malesky.«
    »Und worauf wartet Ihr?«
    »Die Frage könnte ich Euch ebenso stellen.«
    »Ich stellte sie aber zuerst, lieber Monsieur Chastel.«
    »Ihr seid kein Richter, vor dem ich antworten muss.«
    Schließlich war es Malesky, der, in einer unverständlichen Sprache fluchend, seine Muskete weg vom Eingang der Schlucht schwenkte, Kimme und Korn im Nacken des Wolfes aufsitzen ließ und zweimal abdrückte, als das Tier zwischen zwei Treibern hindurchtrabte.
    Dieses Mal brachte das Blei den Tod. Der muskulöse Körper erschlaffte unvermittelt, die Vorder- und Hinterläufe, die Pfoten, selbst der Schweif verloren jegliche Spannung, und der Wolf brach zusammen, rutschte über das Laub und blieb liegen.
    Der Moldawier lud routiniert nach und war dabei flinker als Jean, wie der aus den Augenwinkeln mitbekam; es vergingen weniger als zwanzig Sekunden, bis er seine Muskete wieder in den Anschlag riss.
    »Messieurs! Die Jagd ist vorüber«, stellte de Beauterne fest und kam zu ihnen, drückte zuerst Maleskys, dann Jeans Waffe nach unten. »Sichert eure Waffen und kommt mit mir ins Dorf, wo wir alle den Tod der Bestie feiern! Die Glocken des Gevaudan sollen den Tod der Bestie und nicht mehr den Tod eines ihrer Opfer verkünden.« Er wurde ungehalten, als der Wildhüter die Muskete wieder heben wollte. »Monsieur! Es ist genug«, zischte er. »Da liegt die Bestie …«
    »Nein, das ist sie nicht, Seigneur de Beauterne«, widersprach Jean leise. »Zählt Eure Hunde, und Ihr werdet feststellen, dass Euch vier fehlen. Kein Wolf, selbst dieses eindrucksvolle Exemplar nicht, vermag in der kurzen Zeit vier Hunde zu töten. Und seht, einer von ihnen trägt Kratzspuren, als habe er mit einer Katze gerungen, mon seigneur.«
    Der Comte de Morangiès trat vor. »Und ich sage, es ist die Bestie! Kein normaler Wolf würde einen Schuss in den Kopf überstehen. Gibt es einen besseren Beweis?«
    Jean erschrak. Der Ausdruck in den Augen des Mannes zeigte, dass er genau wusste, nicht mehr als einen Wolf vor sich zu haben! Was führt er im Schilde?, fragte sich der Wildhüter.
    Der Comte wandte sich derweil an den ebenfalls skeptischen Malesky. »Ihr werdet auf der Stelle bezeugen, Messieurs, dass wir die gesuchte Kreatur zur Strecke brachten, oder ich sorge dafür, dass

Weitere Kostenlose Bücher