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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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es verdient.«
    Die Faust des Comte zuckte vor, packte die Jacke und riss Antoine brutal nach vorne gegen die Gitter. »Du Idiot!«, zischte er wütend. »Zügele dich endlich! Wie konntet ihr nur so dumm sein, einen Mann des Duc und des Königs anzugreifen? Normalerweise wärt ihr für eure Tat auf die Galeere oder sonst wohin zur Zwangsarbeit geschickt worden.« Er stieß ihn zurück. »Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie schwierig es sein wird, euch aus dem Gefängnis zu holen?«
    »Ihr … Ihr vermögt uns zu retten?« Antoine machte große Augen und sank vor ihm auf die Knie. »Meinen ewigen Dank, Seigneur!«
    »Niemand wird davon erfahren, dass ich euch geholfen habe, verstanden?«, sagte er mit schneidender Stimme. »De Beauterne ist vom Hof gesandt, und sein Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Aber es wird mir gelingen. Und wenn nicht mir, dann meinem Vater.« De Morangiès lächelte kühl und tätschelte Antoines bärtige Wange hart. »Wer würde mir sonst so gute Hunde verschaffen können? Ohne sie gewinne ich einfach nicht.«
    »Niemand, Seigneur. Das habe ich Euch schon in Menorca bewiesen, nicht wahr?«
    »Das hast du, Antoine.« De Morangiès schaute zu Pierre, der sich stöhnend zur Seite gerollt hatte. »Noch etwas Geduld, und wir gehen nach Paris. Man ist schon sehr neugierig zu sehen, was deine Züchtungen dort vermögen.«
    »Seigneur, dieser Beauterne«, sagte Antoine zögernd. »Er kreist uns immer mehr ein. Es ist kaum mehr möglich, unbemerkt …« Sein Gesicht bekam einen furchtsamen Ausdruck. »Seigneur, ich habe Angst, dass er mir meine Hunde erschießt. Meine lieben Freunde. Dann wäre es mit der Zucht …«
    »De Beauterne wird bald kein Hindernis mehr sein. Ich habe einen Plan, der ihn uns endgültig vom Hals schafft. Die Vorbereitungen werden gerade getroffen«, unterbrach ihn der Comte. »Und du, Antoine: Sei vorsichtiger!« Er klopfte ihm auf die Schulter. »Bald seid ihr frei. Das verspreche ich dir.« Schwungvoll wandte er sich um und erklomm die Stufen nach oben.
    »Meinen ewigen Dank, Seigneur!«, rief ihm Antoine halblaut nach und hob die Hand zum Gruß. Rasch kehrte er auf die Pritsche zurück, zog die Beine an und schaute auf den Lichtfleck am Boden der Zelle. Er war vollkommen ruhig. Mit einem Schlag war die Anspannung, die nagende Furcht verschwunden, die Bestie sanft wie ein Lamm. Auf den Comte konnte er sich verlassen. Seinen guten Freund. Seinen Mentor.
     
    21. September 1765, in der Nähe von Saint-Marie-des-Chazes, Südfrankreich
    Sosehr man Lieutenant Antoine de Beauterne belächelt hatte, als er durch das Gevaudan streifte und eine Skizze nach der anderen von den Heideflächen, den Grasebenen, Wäldchen, Bergen und Hügeln anfertigte, nun zeigte sich, dass der Beauftragte von König Louis XV. sein Handwerk mit Kalkül anging. Aber die Bestie schien verstanden zu haben, dass de Beauterne sie einkreiste – und brach völlig unerwartet aus. Es gab Meldungen, dass es in der Umgebung von Langeac zu Angriffen gekommen war, weit abseits des Gebietes der Drei Berge, wo de Beauterne ihr Lager vermutete. Die nächste Hatz wurde an diesen Ort verlagert.
    An einem nebligen Tag im September rief de Beauterne zu einer großen Jagd rund um den Wald von Pommier, an der auch Jean Chastel wieder teilnehmen konnte. Er hatte sich bereits für den Rest seines Lebens in einem Steinbruch gesehen; aber aus einem für ihn nicht erklärbaren, nichtsdestotrotz erfreulichen Grund hatte der Richter in Saugues ihn und seine Söhne freigelassen und sie lediglich ermahnt, dass sie beim nächsten Vorfall mit keinerlei Milde mehr zu rechnen hätten. Seine Söhne blieben in einer von Antoines Hütten zurück, angekettet im Keller. Jean hatte eine neue Arretierung angebracht, die verhindern sollte, dass sie sich nach ihrer Verwandlung von den Fesseln befreiten. Nur auf diese Weise konnte er sicher sein, dass ihm bei der Jagd keiner der beiden in der Gestalt des Loup-Garou vor die Flinte lief.
    Die Kreatur musste endlich sterben; zu oft war sie ihm und anderen Jägern entkommen. Daher befand sich dieses Mal eine Ladung Silberkugeln in den Läufen.
    Kaum am Sammelpunkt angelangt, sah er den Moldawier und Jacques Denis wieder. Ingesamt zählte Jean vierzig Jäger, mindestens einhundert Treiber und zwölf Hunde, die an den Leinen zerrten und rissen.
    »Bonjour, Monsieur Chastel«, rief Malesky freudig und lief auf ihn zu, wie so oft das Pincenez mit dem blauen Glas vor den Augen. »Habt Ihr Eure

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