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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Nächte im Verlies von Saugues gut überstanden? Ihr werdet mir nicht nachtragen, dass ich bei Eurer kleinen Schlägerei nicht eingriff?«
    »Ihr habt uns beobachtet?«
    »Ich kam aus dem kleinen Wäldchen und sah alles. Aber ich wollte in Freiheit bleiben, um der Bestie Paroli zu bieten – also habe ich nicht eingegriffen.« Er schaute ihn abschätzend an. »Seltsamerweise scheint sie eine Rast eingelegt zu haben, solange Ihr außer Gefecht wart. Hat sie etwa auf Euch gewartet?«
    »Ich trage es Euch nicht nach, Monsieur Malesky, dass Ihr untätig wart, doch Eure Anspielung kommt dem dummen Geschwätz sehr nahe, das ich vor einigen Wochen im Gasthaus hören musste, und Ihr wisst, wie es für die endete, die ihren Mund nicht halten konnten.« Jean zwinkerte und tat so, als meinte er es nicht ernst, aber der Moldawier verstand die unterschwellige Drohung. »Was den Kerker angeht, es ist eine Erfahrung, die ich Euch durchaus einmal empfehlen kann«, sagte er schwach lächelnd und erinnerte sich daran, wie sie Antoine dreimal hatten bewusstlos schlagen müssen, um ihn vor der Verwandlung in eine Bestie zu bewahren und somit ihr eigenes Leben zu schützen. Pierre hatte die Gefangenschaft weniger Schwierigkeiten bereitet: Er bekam nicht einen einzigen Anfall. Wahrscheinlich lag es daran, dass er einen stärkeren Charakter hatte als sein Bruder.
    »Monsieur Chastel, ich freue mich, Euch zu sehen.« Der blonde Jacques trat an sie heran, eine Muskete in der Linken tragend, und reichte ihnen die Hand. »Habe ich Euch nach Malzieu dafür gedankt, dass Ihr mein Leben gerettet habt?«
    »Das habt Ihr, Monsieur Denis. Vielleicht ergibt sich heute die Gelegenheit, dass Ihr das meinige rettet.« Jean hatte sich entschlossen, den jungen Mann wie einen Erwachsenen zu behandeln. Er hatte zu viel erlebt, um noch ein Kind zu sein. Jean deutete auf die Waffe. »Ein sehr schönes Stück.«
    »Ein Abschiedsgeschenk von Monsieur Denneval.« Jacques hätte sich über die Muskete freuen müssen, aber er klang verbittert. Er nahm es den normannischen Wolfsjägern unverhohlen übel, dass sie ihn im Stich gelassen hatten und unverrichteter Dinge – abgesehen von hunderten toter Wölfe und deren Pelzen – aus dem Gevaudan abgerückt waren. Die Bestie, die seine Schwester zu einer Idiotin gemacht und seine Freundin Marguerite getötet hatte, lief immer noch herum. »Seit seinem Abzug gehe ich auf eigene Faust auf die Jagd.«
    Malesky schaute sich die übrigen Jäger an. »Das, was ich sehe, macht mir keine Angst, die Zehntausend an einen von denen zu verlieren, außer vielleicht an den schusssicheren Lieutenant de Beauterne selbst.«
    Der persönliche Arkebusenträger des Königs, wie sein offizieller Titel lautete, stellte sich gerade auf einen umgestürzten Baumstamm, so dass ihn alle sahen. Er war wie ein Prinz ausstaffiert und nicht wie ein Jäger, dennoch wirkte er unscheinbar. Die teure Kleidung, die Perücke und der Hut lenkten von dem Mann, der darin steckte, übermäßig ab. Hinter ihm stand Pelissier, noch immer übel von der Schlägerei gezeichnet. Er warf Jean einen hasserfüllten Blick zu.
    »Bonjour, messieurs. Heute wird uns das Jagdglück hold sein, und ihr werdet verstehen, weshalb ich die vielen Wochen damit verbrachte, mir einen Eindruck von der Gegend zu verschaffen. Nun kam uns die Gnade Gottes zu Hilfe. Die Bestie lief vor uns davon, genau hierher. Die Spuren, die ich fand, wiesen mich zur Beal-Schlucht, und da werden wir unseren Wolf erlegen, den manche Abergläubische eine Bestie und übernatürlich nennen.« Er deutete über die Felder zum Wald, der sich um die Schlucht erstreckte. »Dort hat sie ihr Lager, und ihr werdet sehen, dass sie zu erschießen ist wie jeder andere Isegrim auch. Wir bilden eine Kette und rücken in den Wald ein, ziehen die Schlinge um die Schlucht immer enger, bis es kein Entrinnen mehr für sie gibt.« Er sprang von seinem primitiven Podest, teilte die Jäger samt Treiber in Gruppen ein, und die Jagd begann.
    In einer breiten Linie marschierten sie auf das Wäldchen zu, das durch die sich lichtenden Nebelschwaden wie ein Scherenschnitt vor dem grauen Horizont wirkte. Krähenschwärme stiegen aus den abgeernteten Feldern und schraubten sich in die Höhe, wo ihre Körper im Dunst unsichtbar wurden und sie die Männer lediglich mit ihrem Krah-krah verfolgten.
    »Verdammtes Wetter«, beschwerte sich Malesky und befreite die Gläser seines Zwickers mit einem Taschentuch von der Feuchtigkeit, die

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