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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sich darauf niedergeschlagen hatte. »Hoffentlich wird das Pulver in der Zündpfanne nicht unbrauchbar. Diese Nebelschleier sind schlimmer als Regen.«
    Endlich hatten sie das Wäldchen erreicht. In kürzester Zeit wurde es eingeschlossen, und nach dem Hornsignal, dass die Treiber und Jäger auf der abgewandten Seite den Ring vollendet hatten, drangen sie ins Gehölz ein.
    Niemand wagte, auch nur einen Laut von sich zu geben.
    Die Treiber liefen neben den Jägern her, die Spitzen der Spieße und Speere schräg nach unten gerichtet. Es ging nicht darum, das Wesen aufzuscheuchen, sondern es nicht entkommen zu lassen. Ein beständiges Knacken und Knistern, Rascheln und leises Klappern tönte durch den herbstlichen Wald; ab und zu huschten Eichhörnchen erschrocken auf einen Baum, Hasen hoppelten eilig weg, gelegentlich rannte ein Reh vor den Menschen davon. Mehr rührte sich nicht.
    Noch nicht.
    Jean, Malesky und Jacques gehörten zu denen, die als Erste am Eingang der Schlucht anlangten, einem finsteren, schroffen Spalt voller Düsternis und unheimlicher Geräusche.
    Einer der Treiber lief los, um de Beauterne Bescheid zu geben, die anderen warteten in einer Mischung aus Ungeduld, Angst und Hoffnung, dem Schrecken nun ein Ende zu bereiten. Ein für alle Mal.
    »Hier fühlt sich die Bestie sicherlich wohl«, raunte Jacques, der den Lauf seiner Muskete nicht mehr senken wollte, seit sie den Wald betreten hatten. Er beobachtete argwöhnisch, ob sich etwas in der Dunkelheit tat.
    Jean kniete neben einer Spur nieder, untersuchte die Abdrücke, die er gefunden hatte, schätzte von ihrer Länge auf die Gesamtgröße des Tiers, richtete sich wieder auf und schaute zu dem Moldawier, der die Augen auf eine andere Stelle des Bodens gerichtet hielt.
    »Ein großer Wolf, nicht wahr, Monsieur Chastel? Ich habe in meinem langen Leben kaum eine eindrucksvollere Fährte gesehen«, sagte Malesky und hörte sich dennoch enttäuscht an, weil er auf eine andere Beute gehofft hatte.
    »Ja, ein Wolf«, meinte Jean und zertrat schnell die frische Spur der Bestie, die er bisher mit seinem Bein vor den Blicken der anderen abgedeckt hatte. Die Kreatur war vor Kurzem erst in die Schlucht hineingelaufen; sie musste aus Zufall in die Enge getrieben worden sein. Sein Herz schlug vor Aufregung rasch wie ein Stampfwerk. Er hielt sie für schlau genug, dem Wolf den Vortritt zu lassen, um dann erst aus der Schlucht zu fliehen, wenn die Schützen ihre Musketen nachluden.
    De Beauterne näherte sich, die Muskete halb im Anschlag, zusammen mit den keuchenden, zerrenden Hunden. Und dem Comte de Morangiès. »Messieurs, haltet eure Musketen bereit. Die treuen Tiere werden uns den Wolf herausjagen.« Er zog die Hähne nach hinten, und um ihn herum klackte es vielfach, als die vierzig Jäger das Gleiche taten. Dann hob er seine Waffe und legte auf den Eingang der Schlucht an. »Lasst sie los«, gab er die Anweisung, und die Leinen der Meute wurden gelöst.
    Laut bellend rannten die Hunde in die Felsspalte und wurden von dem Schwarz verschlungen. Ihr Kläffen hallte als Echo zu den wartenden Jägern hinaus, wurde leiser und leiser, bis es sich in der Weite der Schlucht gänzlich verlor.
    Es tat sich nichts.
    Der erste Jäger senkte seine Muskete – die Waffe war zusammen mit dem unter der Mündung angebrachten Bajonett zu schwer, um sie auf Dauer in der Horizontalen zu halten –, gönnte seinen müden Armen eine Erholung und hob sie dann schnell wieder, um nicht die Gelegenheit verstreichen zu lassen, der Held einer ganzen Region zu werden.
    Auch Jacques wurde müde; schließlich setzte er sich auf den Boden, zog die Knie an und legte die Waffe darauf. Es war ein gefährliches Manöver, denn sollte der Schuss fehlgehen und die Bestie nach Vergeltung trachten, befand sich seine Kehle in der passenden Höhe für die unerbittlichen Zähne.
    Dann kehrte das aufgeregte Bellen zurück – die Meute befand sich auf dem Rückweg. Wer genau hinhörte, vernahm im lauter werdenden Lärm des Kläffens ein zorniges, dunkleres Knurren, ab und zu ein Heulen und Jaulen. Jetzt hoben sich alle Läufe, selbst die kraftlosesten Arme nutzten die letzten Reserven. Noch sahen die Männer nichts als Schwärze. Das unentwegte Starren trocknete die Augen aus und verführte zum Blinzeln, und das Blinzeln wiederum konnte einen Fehlschuss bedeuten.
    Jean konzentrierte sich, seine Arme brannten, doch noch zitterten sie nicht. Halt durch, mahnte er sich.
    Der Körper eines gewaltigen

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