Ritus
Seigneur hat es verdient, als Held gefeiert zu werden.« Er nickte ihnen zu. »Messieurs, wir sehen uns bei der Siegesfeier in Langeac, nehme ich an?«
»Ich muss nach Hause«, sagte Jean ausweichend und schlug, als sie den Wald verließen, einen anderen Weg als der Jagdtross ein.
»Was ist mit unserem Gespräch, Monsieur?«, rief Malesky ihm nach. »Ich werde Euch besuchen, falls es Euch passt.« Er erhielt keine Erwiderung; der Wildhüter tat so, als habe er ihn nicht gehört, und Malesky lächelte wissend. Auch wenn es dem Mann nicht zusagte, er würde demnächst an seine Tür klopfen. Dem Zug folgend, machten er und Jacques sich auf den Weg nach Besseyre.
Unterwegs schlossen sich ihnen Bauern und andere einfache Leute an, die den Tod der Bestie mit einem Fest begehen wollten. Letztlich mussten die Jäger einen schützenden Ring um den Wolfskadaver bilden, weil versucht wurde, als Andenken Stücke aus dem Fell herauszuschneiden.
Lieutenant Antoine de Beauterne hatte einen Boten vorausgesandt, so dass beim Eintreffen auf dem Marktplatz der Stadt alles für eine Feier gerichtet war. Während die Bevölkerung sich auf Kosten des Königs Essen und Trinken schmecken, den Herrscher hoch leben ließ und zu den Klängen der Fiedeln und Trommeln tanzte, wurde der Wolf vermessen.
»Hört und staunt, ihr Leute«, rief de Beauterne durch den Lärm. »Die Bestie ist etwas mehr als sechs Fuß lang und wiegt hundertdreiundvierzig Pfund!« Ein beeindrucktes Raunen kam von den Menschen, das in lautes Ah und Oh überging, als der Wolf an vier Seilen in die Höhe gezogen wurde und unter dem Giebel des Rathauses hing. Die Reißzähne waren fast so lang wie der Finger eines Mannes. »Atmet auf, denn sie ist tot! Lang lebe König Louis der Fünfzehnte!«
Die Menge antwortete glücklich und erleichtert mit Jubel.
Am späten Nachmittag machten sich Jacques und Malesky auf, die Stadt zu verlassen. Sie gingen eine Weile auf dem gleichen Weg, als ihnen eine junge Frau entgegeneilte.
»Das ist Julienne, meine andere Schwester!«, sagte der junge Mann. »Sie will sicherlich auch zum Fest.«
Julienne kam näher, umarmte ihren Bruder und machte einen kleinen Knicks vor dem Moldawier. »Ich habe gehört, dass die Bestie geschossen wurde«, sagte sie schnell und atemlos und zeigte auf den Wald, den man von diesem Teil der Straße aus in weiter Entfernung erkannte. »Da ist es geschehen?«
Ihr Bruder drückte sie noch einmal an sich. »Ja, glaub es, Schwester. Wir …« Er zeigte auf Malesky. » Er hat sie erlegt, mit zwei Schüssen von hinten in den Nacken, nachdem sie …«
Doch Julienne schüttelte den Kopf. »Ihr glaubt, dass es die Bestie ist? Ich nicht! Mir ist Monsieur Chastel unterwegs begegnet, und ein Blick genügte mir, um zu wissen, dass die Jagd noch nicht vorüber ist.« Schaudernd sah sie zu dem kleinen Wäldchen. »Ich spüre es. Sie ist immer noch da, liegt im Unterholz und beobachtet uns«, raunte sie eindringlich und ängstlich. »Monsieur Chastel weiß, dass sie lebt, ich habe es an seinen Augen erkannt.« Sie küsste ihren Bruder auf die Stirn. »Ich muss nach Besseyre! Die Menschen sollen gewarnt sein, wenn sie nach Hause gehen.« Sie stürmte wie eine Besessene davon, geradewegs auf den Wald zuhaltend.
»Warte!«
Sie reagierte nicht auf das Rufen ihres Bruders. Jacques reichte Malesky schnell die Hand. »Unsere Wege trennen sich vorerst, Monsieur Malesky. Ich muss meiner Schwester nachgehen, sie scheint aufgeregt und verwirrt. Die Nachricht vom Tod der Bestie muss sie erst noch verstehen. Das Glück ist wohl zu groß.« Er rannte ihr hinterher.
Malesky polierte das Pincenez und sah den jungen Leuten nach. »Die arme Mademoiselle. Sie hat Recht, und niemand wird ihr glauben.« Dabei rutschte ihm die Sehhilfe aus den Fingern und fiel ins Gras. »Zut!« Er bückte sich, tastete nach ihr und fand sie auch – unmittelbar neben dem frischen wolfsähnlichen Pfotenabdruck, der weg vom Wald führte und dem er in den vergangenen Monaten mehr als einmal gefolgt war.
XX.
KAPITEL
Kroatien, Plitvice, 16. November 2004, 14:33 Uhr
Von Zagreb aus ging es mit einer gecharterten kleinen Propellermaschine weiter nach Plitvice. Der Pilot hatte sichtlichen Spaß daran, seinen beiden einzigen Fluggästen die Schönheit des Nationalparks von oben zu zeigen. Eric und Lena schauten aus den eisumrahmten Fenstern nach unten und staunten.
Der bitterkalte Winter hatte die Karstlandschaft mit ihren sechzehn Seen in einen
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