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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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erkannte am Eingang eine Gestalt, die eine rauchende Muskete im Anschlag hielt. Das Mondlicht ließ etwas im Gesicht des Mannes metallisch aufblitzen. »Rasch, Mademoiselle Florence, geht! Aber sprecht zu niemandem ein Wort«, hörte sie einen Mann mit einem fremdländischen Akzent sagen. »Ich kümmere mich um die Bestie.«

XXII.
KAPITEL
    Kroatien, Plitvice, 17. November 2004, 22:33 Uhr
     
    »Nein, es ist nicht entzündet, Lena.« Eric klebte das Pflaster wieder über die Wunde und zog ihr Unterhemd und den Pullover herab. »Es ist der Heilungsprozess. Wenn eine Verletzung juckt, dann schließt sie sich.«
    »Sie juckt nicht, sie brennt !«, korrigierte sie ihn ungehalten. »Was ist, wenn sich Ihre schlauen Bücher irren und es ausreicht, von einem Werwolf gekratzt zu werden?«
    Er antwortete nicht, sondern griff nach der Fernbedienung des Fernsehers. Sie saßen auf dem Bett in ihrem Hotelzimmer, zappten sich durch die TV-Kanäle und suchten einen brauchbaren Sender, den man sich länger anschauen konnte. Die meisten verstanden sie nicht, oder es hagelte Werbeunterbrechungen. Eric trug nur noch seinen schwarzen Sportslip, während sie fast ihre gesamte Schneetarnkleidung am Leib hatte, obwohl es im Zimmer sehr warm war.
    Lena gab sich mit seiner Diagnose nicht zufrieden. »Und was ist, wenn Nadolny sich vorher die Finger abgeleckt hat?«
    Eric stutzte, dann musste er lachen. »Stimmt, das könnte funktionieren.«
    »Prima«, murmelte sie. »Ich als Werwolf. Dann kann ich mir die Beine bestimmt noch öfter rasieren.« Sie steckte sich ihre braunen Haare hoch und zeigte Eric ihren weißen Nacken.
    Er bedauerte es jetzt schon, bald nichts mehr mit ihr zu tun zu haben, und das nicht nur wegen des Sex. Eric hasste es, sich das eingestehen zu müssen, doch er hatte sich in sie verliebt, daran gab es keinen Zweifel. Ausgerechnet das, wovor er sich am meisten gefürchtet hatte, war eingetreten. Damit gab es noch einen Grund mehr, sie aus der Gefahrenzone zu bringen. Und die Gefahrenzone befand sich stets dort, wo er sich befand.
    »Legen Sie sich hin«, empfahl er ihr. »Morgen wird es ziemlich anstrengend.«
    »Durch Schnee laufen, nicht die Orientierung im Urwald verlieren, der Parkaufsicht entkommen und einen Werwolf zur Strecke bringen«, zählte sie auf. »Ich schätze, Sie haben Recht.« Lena rutschte auf ihre Seite des Bettes, beugte sich plötzlich nach vorne und küsste ihn auf den Mund. »Gute Nacht, Eric.« Noch ein verführerischer Blick aus ihren dunkelgrünen Augen, dann drehte sie sich um. Langsam zog sie sich aus, die Kleider fielen auf den Teppichboden.
    Es war die bösartige Rache dafür, dass er sie nicht mehr länger dabei haben wollte: scharf machen und abblitzen lassen. Eric betrachtete sie von hinten: die Kurve ihrer Brüste, die helle Haut, die einen Kontrast zu den braunen Haaren bildete. Ihre Bewegungen fächelten ihm ihren Geruch zu, und sein Penis regte sich. Das war hochgradig unfair von ihr! Er nahm schnell die Brille ab, damit Lena zumindest vor seinen Augen unscharf und weniger sexy wurde.
    Die rasche Bewegung vor ihrem Fenster wäre ihm mit den Gläsern sicher entgangen. So aber bemerkte er sie rechtzeitig und handelte. Erics rechte Hand rutschte unters Kissen und zog die Pistole, die andere streckte sich nach dem Silberdolch auf dem Nachttisch.
    In diesem Moment explodierte das Fenster.
    Durch den klirrenden Scherbenregen hechtete eine Gestalt mit leuchtenden roten Augen und warf sich unverzüglich gegen Eric. Auf Lena achtete sie gar nicht; zuerst sollte, die größere Bedrohung ausgeschaltet werden.
    Seine Finger schlossen sich gerade noch um den Griff des Dolchs, dann fegte ihn der Angreifer vom Bett. Mit ihm kam ein ekelhafter Gestank, Tigerkäfige in Zoos rochen genauso: konzentriertes Raubtier und pure, angestaute Aggression.
    Sie prallten auf den Boden, das Bettzeug mit sich reißend. Der Arm mit dem Dolch hatte sich darin verheddert und ließ sich nicht zur Abwehr einsetzen. Die längliche Schnauze erschien riesig vor Erics Augen. Instinktiv ließ er die Pistole fallen, krallte sich stattdessen in das dichte Fell an der Kehle des Werwolfs und bremste auf diese Weise die Vorwärtsbewegung. Die Kiefer schnappten wenige Zentimeter vor seinem Gesicht zu, Eric hörte das laute Krachen der Zähne und sah das Zahnfleisch unter den entblößten Lefzen. Der Gestank, der aus dem Maul quoll, stand dem des Fells in nichts nach. Die Kraft der rasenden Bestie übertraf die eines jeden bisher

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