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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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bekämpften Feindes. Sie drückte seinen Arm einfach nach unten, die Zähne näherten sich der Kehle; warm troff der Geifer auf ihn herab und lief über sein Gesicht.
    Es krachte einmal, zweimal, dreimal direkt neben seinem Ohr, grell blühten die Feuerblumen vor der Mündung auf und beleuchteten den hässlichen Kopf der Bestie. Die erste Kugel fuhr ihr durch den Hals, und das Blut sprühte auf der anderen Seite wie aus einer geschüttelten Mineralwasserflasche heraus. Die anderen beiden verletzten sie in der Schulter.
    Mit einem wütenden, sehr menschlich klingenden Schrei schnellte die Bestie von Eric herunter und sprang Lena an, die es gewagt hatte, die Tokarev aufzuheben und in den Kampf einzugreifen.
    »Nein!«, schrie Eric entsetzt und hielt die Bestie an der Rute fest, aber sie rutschte ihm durch die Finger. Die Pistole krachte noch zweimal, dann schrie Lena in Todesangst und wurde vom triumphierenden Brüllen des Werwolfs übertönt.
    Eric bekam endlich den Arm frei, sprang auf und rannte auf die Bestie zu. Sie stand auf allen vieren über Lena, hatte den Kopf gesenkt und schüttelte ihn hin und her. Die Beine der Frau, die unter dem Körper der Bestie herausschauten, zuckten, Lena schrie, krächzte, ein gurgelndes Geräusch entwand sich ihrer Kehle.
    Bis sie verstummte.
    »Nein!«
    Mit aller Kraft holte Eric aus und stach nach der Bestie.
    Knurrend sprang das Wesen zur Seite, die Klinge verfehlte das Herz und streifte stattdessen die Schulter des Monstrums. Es heulte auf, wirbelte herum und schnappte nach Eric.
    Er sah das viele Blut an der Schnauze und am breiten Kopf; die Augen funkelten boshaft, als wollten sie sagen: Schau her, ich habe sie getötet, und du konntest nichts dagegen unternehmen.
    Die Bestie sprang.
    Eric hatte mit der Attacke gerechnet und wich wie ein Torero mit einer genau berechneten Körperdrehung aus, gleichzeitig stieß der Dolch herab und traf in den Nacken. Die Bestie jaulte grell auf, krachte gegen die Verkleidung des Bettes und schaffte es nur mit sehr viel Mühe, sich torkelnd zu erheben.
    Erics Herz klopfte laut.
    Die rotbraune Farbe des Fells, der schwarze Streifen, die roten Augen – er kannte die Hässlichkeit nur zu gut.
    Es war die Bestie!
    Sein ganzes Leben und Wirken hatte sich um diesen Moment gedreht. All die Opfer, die er und seine Familie gebracht hatten, würden sich endlich bezahlt machen. »Fahr zur Hölle«, wisperte er und griff mit neuer, brutaler Energie an.
    Die Bestie wich zurück und flüchtete aus dem zerborstenen Fenster. Aus ihrer Sicht war es nun nicht mehr an der Zeit, sich dem Gegner zu stellen, sondern das Schlachtfeld zu verlassen und einen besseren Moment abzupassen. Die Wunden des Silberdolches schmerzten zweifellos; beinahe wäre sie durch den letzten Schnitt getötet worden.
    Eric sah den Erzfeind verschwinden, der eine deutliche Blutspur am Rahmen hinterlassen hatte. Dann schaute er zu Lena.
    Sie war nicht tot.
    Noch nicht.
    Lena wälzte sich vom Rücken auf den Bauch, wimmerte leise und presste die Finger auf die Wunde an ihrem Hals. Rot quoll der Strom hervor, der metallische Geruch von frischem Blut flutete das Zimmer. Ihre dunkelgrünen Augen waren weit geöffnet, Schock und Wahnsinn rangen miteinander. Der linke Arm reckte sich Eric Hilfe suchend entgegen.
    »Verzeih mir«, raunte er.
    Und hechtete aus dem Fenster.
     
    Niemand hätte demjenigen geglaubt, der behauptete, einen merkwürdigen, hässlichen Wolf gesehen zu haben, der halb aufrecht, halb auf allen vieren durch die Nacht floh, verfolgt von einem Mann, der ihn nur mit einem schwarzen Sportslip bekleidet verfolgte. Der einen unmenschlich hohen Sprung machte, um über den Zaun des Nationalparks zu gelangen, und in dessen Hand ein silberner, blutverschmierter Dolch glänzte.
    Aber genau so war es.
    Eric bemerkte die Kälte nicht, das Jagdfieber pulsierte in seinen Adern und heizte ihn auf. Er sah die Bestie in ihrer reinen Tiergestalt vor sich, hetzte sie über die Wege des Parks und behielt ohne zu ermüden die mörderische Geschwindigkeit bei. Es half ihr auch nichts, dass sie sich unterhalb des Kozjak-Ufers ins Unterholz schlug. Ein ebenso unerbittlicher Jäger, wie sie selbst es war, hatte sich auf ihre Spur gesetzt. Je schneller sie liefen, desto mehr Blut pumpte das Herz aus dem Körper der verwundeten Kreatur und schwächte sie.
    Eric nahm die Kratzer der peitschenden Zweige und Dornen in Kauf; er hätte sogar einen Arm gegeben, um die Bestie zu stellen.
    Aber plötzlich

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