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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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bemüht, seine immense Furcht vor dem Wesen nicht zu zeigen. »Antoine, verstehst du mich?« Er bekam einen Eindruck davon, wie sich seine eigenen Opfer gefühlt hatten, bevor er sie angriff, sein Gebiss in sie schlug und sie rücksichtslos zerriss. »Erkennst du mich? Ich bin es! Pierre, dein Bruder.«
    Die Muskeln der Bestie spannten sich, sie bereitete sich auf den Angriff vor, als sie das klägliche Heulen des verwundeten Weibchens hörte, das nach ihr rief und um Beistand bettelte.
    Das konnte nur bedeuten, dass Pierre seinen Auftrag noch nicht erfüllt hatte. Erst, wenn die Urheberin des Fluchs tot im Schnee lag und sie aus ihrem Blut den Gegentrank brauen konnten, endete der Albtraum der Brüder und der gesamten Region.
    Die Bestie knurrte ihn an, duckte sich und sprang seitlich davon. Der Ruf der verletzten Gefährtin war stärker als der Drang, den Feind zu vernichten.
    Pierre hetzte zur Buche, schwang sich hinauf, kletterte höher und höher, bis er einen Ast gefunden hatte, von dem aus er den Platz einsah, wo die angeschossene Kreatur lag. Seine Salve hatte nicht den Kopf getroffen, sondern ihr den Brustkorb durchlöchert. Das im Mondlicht schwarz aussehende Blut lief in Strömen in den Schnee, doch die Wunden begannen bereits, sich zu schließen. Pierre hatte kein Silber benutzt, folglich reichten die Treffer nicht aus, die Bestie zu vernichten. Wohl aber, sie zu schwächen und sie auf den Boden zu zwingen, bis eine unheilige Macht sie geheilt hatte. Das war seine letzte Chance!
    Er lud den abgefeuerten Lauf und legte erneut auf den Kopf des Weibchens an. Ich werde so lange auf den hässlichen Schädel schießen, bis das letzte Stückchen von ihrem Hals gerissen ist. Der junge Mann zielte genau, feuerte – und traf hinter das Ohr der Bestie! Auf der anderen Seite des Kopfes dampfte es, Fetzen flogen davon und zischten in den Schnee; das Weibchen wurde durchgeschüttelt, der Kopf ruckartig nach unten gedrückt.
    Der hat gesessen! Hastig begann Pierre mit dem Nachladen. Den Lauf mit den vier Kugeln bewahrte er sich auf und nutzte ihn deshalb nicht, weil vier Projektile auf diese Entfernung unmöglich genau ins Ziel zu setzen waren. Herrgott, steh mir weiter bei! Noch zwei Schüsse und es ist mit ihr vorüber.
    Das wusste allerdings auch der männliche Loup-Garou. Er war zurückgekehrt, sprang knurrend auf den Baum zu, auf dem der Schütze saß, richtete sich im Rennen auf die Hinterbeine und nutzte den Schwung, um sich mit einem gewaltigen Satz in drei Schritt Höhe gegen den Stamm zu katapultieren. Die Krallen schlugen in das Holz. Er kletterte wie eine Katze nach oben und schälte dabei die Rinde ab, wobei er wütend knurrte und fauchte.
    »Antoine, zurück!«, verlangte Pierre und richtete die Muskete gegen die nahende Bestie. »Ich werde schießen!«
    Der Garou sah die Mündung und kroch zur Seite, brachte den Stamm zwischen sich und die Waffe und verschwand aus dem Blickfeld des Jägers. Kleine Rindenstückchen fielen in den zertrampelten Schnee, und Pierre hörte, wie Antoine die scharfen Klauen in die Buche bohrte und unaufhaltsam näher kam.
    Pierre hängte sich die Muskete auf den Rücken und begann ebenfalls, höher zu klettern. Beim Blick nach unten sah er die Pranken, die sich wesentlich schneller nach oben bewegten. Gleich würde er ihn eingeholt haben!
    Gott, vergib mir, was ich tun muss. Er rutschte um den Stamm, bis er seinen verwandelten Bruder sah, nahm das Gewehr, visierte senkrecht nach unten auf den Kopf und drückte den Abzug des Viererlaufs.
    Im gleichen Moment schaute Antoine zu ihm herauf, die Augen blitzten böse, und schon war er wieder hinter dem Stamm verschwunden. Die Projektile sausten vorbei.
    Ehe Pierre noch etwas zu unternehmen vermochte, wurde sein rechtes Bein von einer kräftigen Klaue gepackt, dann hängte sich der grollende Loup-Garou mit seinem ganzen Gewicht daran und zog ihn ruckartig vom Ast.
    Sie stürzten zusammen dem Boden entgegen. Pierres Kopf schlug gegen einen harten Gegenstand. Er verlor das Bewusstsein, noch bevor er im Schnee aufschlug.
     
    Florence schreckte schweißnass aus einem schrecklichen Albtraum hoch. Ihr Herz raste noch immer, ihr ganzer Leib schmerzte. Sie schaute zum Fenster hinaus: Draußen herrschte Dunkelheit, und der schwache Mond beleuchtete ihr Zimmer durch die aufziehenden Wolken mit einem silbernen Schimmer.
    Sie war eingeschlafen! Das Buch, das sie gelesen hatte, um sich wach zu halten, lag neben ihrem Bett. Hastig sprang sie nackt,

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