Ritus
und sein Leib schüttelte sich, damit die letzten Wolfshaare abfielen. Dann lag er regungslos da. Es dauerte nicht lange, bis er vor Erschöpfung eingeschlafen war.
Pierre und Jean schlichen in die Zelle und schlugen ihm einen Knüppel auf den Schädel, um ihn in eine anhaltende Ohnmacht zu zwingen. Dann legten sie ihn in Ketten und besserten die Schäden im Verlies aus. Sie setzten die Halterungen der Fesseln dieses Mal noch tiefer in den Stein und sicherten sie dreifach ab.
Bevor sie gingen, versetzte Jean Antoines Trinkwasser mit einem starken Beruhigungsmittel, das er aus Belladonna gewonnen hatte, und flößte es ihm ein; so konnte er sicher sein, dass Antoine mindestens zwei Tage lang nicht zu sich kam. Bis dahin sollte der Mörtel des Mauerwerks getrocknet und hart geworden sein.
»Können wir ihn überhaupt noch retten?«, fragte Pierre leise und traurig, als sie im Morgengrauen nach oben stiegen, um nach Malesky zu sehen.
Mehr als ein ratloses Schulterzucken brachte Jean nicht zu Stande, und schweigend kehrten sie in das kleine Haus zurück, wo Malesky wartete. Pierre wiederholte ihm gegenüber seine Frage.
»Sicher können wir ihn noch retten.« Der Moldawier hatte das Kunststück fertig gebracht, den klaffenden Schnitt an seinem Bein selbst zu reinigen und zu nähen, und zwar mit gleicher Akkuratesse wie bei Pierre; nun saß er auf dem Stuhl neben dem Kamin und gönnte sich einen Cognac, um die pochenden Schmerzen in seinem Bein weniger zu spüren. »Aber sollte es noch länger als sechs Monate dauern, haben wir ihn für immer an das Böse verloren.« Er berichtete den Chastels von dem, was sich im Keller zugetragen hatte, bevor sie eingetroffen waren und ihn gerettet hatten. »Antoine wurde in einen Garou verwandelt von einer Spezies, die so gefährlich ist wie keine andere.« Er schüttelte sich. »Sie scheint mir von der Hölle dazu bestimmt worden zu sein, Herrscher unter den Bestien zu werden. Es war furchtbar, einfach furchtbar! Diese Augen brannten sich wie glimmende Kohlen geradewegs ihren Weg durch meinen Verstand und kontrollierten meinen Körper wie eine Marionette. Normalerweise gleichen die Augen eines Wandelwesens denen des Raubtiers, dessen Gestalt es annehmen kann. Die Fertigkeit, die mir Euer Sohn auf unschöne Art demonstrierte, war mir nicht geläufig. Auch nicht die Fähigkeit, verständlich zu sprechen.«
»Dann hatte die ehrwürdige Äbtissin mit ihren Worten nicht Unrecht«, merkte Pierre an, der sich seinen Kräutertee aufgebrüht hatte und nachdenklich zum Fenster in Richtung Kloster hinausschaute. »Sie hatte auf ihrem Zettel vermerkt, was ein Garou vermag.«
»Die Bestie ist schlauer, als ich angenommen habe, dafür muss ich mich bei euch beiden entschuldigen, Messieurs. Sie hat gelernt.« Malesky verlagerte im Sitzen das Gewicht und verzog den Mund: Die Wunde meldete sich mit einem glühenden Stich. »Sie ahnt, dass die Zeit auf ihrer Seite ist. Sie wartet in aller Ruhe, reißt Opfer, um bei Kräften zu bleiben, und zieht, was sehr zu befürchten steht, ihren Wurf groß, von dem wir nicht wissen, wie zahlreich er ist.«
Jean dachte nach. »Vielleicht sollten wir anders an die Sache herangehen«, schlug er vor. »Wir hören uns um, aus welchem Dorf plötzlich eine schwangere Frau verschwunden ist, deren Überreste man nirgendwo gefunden hat. Sie könnte die Bestie sein.«
Pierre nickte. »Es befreit uns zumindest von langen, erfolglosen Wanderungen durch dichtes Gestrüpp und kalte Nächte.«
Malesky sprach sich ebenfalls nicht dagegen aus. Er deutete zur Scheune. »Antoine wird vielleicht noch an Kraft gewinnen. Wir sollten ihm dauerhaft die Sinne vernebeln, damit er sich erst gar nicht mehr seiner Stärke bewusst wird.« Mit Mühe erhob er sich aus dem einfachen Sessel und machte es sich auf der Eckbank bequem. Er legte das Bein hoch. »Messieurs, das ist mit Abstand die längste und anstrengendste Jagd, die ich jemals auf ein Wandelwesen unternommen habe«, seufzte er und zog den Cognac zu sich. »Ach ja, und die schmerzhafteste.« Auf einen Zug leerte er den Becher, schüttelte sich und lehnte sich an die Wand.
»Ihr erwähntet, dass Eure Gründe, die Garous zu jagen, persönlicher Natur seien, dennoch habt Ihr noch nie davon gesprochen«, erinnerte sich Pierre. »Wollt Ihr uns nicht berichten, wie Ihr zur Jagd gekommen seid?«
Malesky stieß die Luft aus. »Es ist nicht besonders spektakulär, Monsieur Chastel. Ich war in meiner Heimat einmal das, was man
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