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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Schweiß. Sie eilte an ihm vorbei und ging zu Pierre, um seine rechte Hand zu nehmen. »Ich wollte es dir rasch selbst sagen, bevor du es auf einem anderen Weg erfährst. Florence ist heute Morgen niedergestochen worden, aber es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Die Wunden sind nicht so gefährlich, wie es zunächst den Anschein hatte.«
    »Was?« Pierre schaute erschrocken zu Jean, der die Tür schloss. »Mein Gott!«, raunte er und machte Anstalten, auf den Ausgang zuzugehen. »Ich muss zu ihr. Sie …«
    »Sie braucht Ruhe«, sagte Gregoria beschwichtigend. »Du darfst sie von mir aus bald sehen, aber erst, wenn sie wieder zu Kräften gekommen ist.« Sie zwang ihn auf den Stuhl und zog seinen Blick auf sich. »Es ist alles gut. Der Herr stand ihr bei.«
    Jean näherte sich ihnen, stellte ihr einen Stuhl hin und lehnte sich gegen den Tisch. »Wie ist das geschehen?«
    »Es war in Auvers. Man hat versucht, sie zu vergewaltigen«, sagte Gregoria. »Als sie sich widersetzte, wollte der Mann sie umbringen.«
    Pierres Gesicht erbleichte. »Dieses Schwein! Ich tö …«
    »Du wirst gar nichts tun. Überlass es der Justiz.« Jean legte ihm die Hand auf die Schulter. »Weiß man, wer es getan hat?«
    Gregoria schüttelte den Kopf. »Nein. Florence kann sich an nichts erinnern, sagt sie. Der Schock hat ihren Geist hart getroffen und erschüttert. Es gab keinerlei Spuren, anhand derer man auf den Täter schließen kann. Der Marquis d’Apcher hat eine Untersuchung angeordnet, auch der alte Comte hat seine Hilfe zugesagt.«
    »Der alte Comte de Morangiès?« Jean wunderte sich. »Was hat er damit zu schaffen?«
    »Seine Leute waren am gleichen Tag in Auvers. Sie gehörten einem Jagdtrupp seines Sohnes an, der in der Nähe eine Kutsche aus einem Morastpfuhl gezogen hat.« Gregoria setzte sich auf den Stuhl. »Ich vermute, er möchte verhindern, dass es heißt, einer von seinen Untergebenen habe versucht, Florence Gewalt anzutun.«
    Ein Flackern in ihrem Blick verriet ihm, dass es noch etwas gab, was sie aber vor Pierres Ohren nicht aussprechen würde. »Geh zu Bett«, wies er seinen Sohn an. »Die Äbtissin und ich müssen noch reden. Über dich und Florence.«
    Widerwillig erhob er sich. »Richtet Florence meine innigsten Genesungswünsche aus«, bat er sie. »Lasst mich wissen, wann ich sie besuchen darf.« Er nickte den beiden zu und verschwand im Zimmer, in dem bereits Malesky lag.
    »Was gibt es noch, Gregoria?«, sagte Jean gedämpft, sobald sich die Tür geschlossen hatte.
    »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    »Für mich, ja«, erwiderte er lächelnd. Er freute sich, ihr Gesicht zu sehen, auch wenn es tief im Schatten ihrer Haube lag. Er hätte es sogar in vollkommener Finsternis erkannt. »Es hat etwas mit der Kutsche im Morast zu tun, nehme ich an.«
    Gregoria schenkte sich etwas Wasser ein. »Die Kutsche gehörte einer Madame Dumont, von der ich weder weiß, woher sie kommt, noch ob sie überhaupt so heißt. Sie besuchte mich vor einiger Zeit«, offenbarte sie leise. »Sie behauptete, Florences Mutter zu sein, sprach von Gefahr, in der sie sich befände, und gab mir außer viel Geld auch einen Brief für Florence. Sie sollte ihn lesen und damit zum alten Comte gehen.«
    »Hast du den Brief gelesen?«
    »Nein. Ich gab ihn Florence.« Gregoria atmete tief ein. »Er wurde ihr geraubt, Jean. Das war keine versuchte Vergewaltigung. Es war ein gezielter Mordanschlag auf mein Mündel! Ihr Tod hätte alle Spuren beseitigt.«
    Jean schwieg eine Weile. »Die Kutsche gehörte dieser Dame Dumont?«
    »Ja. Man hat ihre Leiche darin gefunden. Sie ist erstochen worden, und ihre persönlichen Gegenstände einschließlich ihrer Koffer fehlen. Außer mir weiß niemand, wer sie ist. Für die Gendarmerie ist sie eine unbekannte Reisende, die überfallen wurde.« Urplötzlich begann sie zu zittern, die Anspannung brach durch.
    Jean setzte sich neben sie und griff zögernd nach ihrer Hand. Gerne hätte er sie stattdessen in den Arm genommen und ihr Halt gegeben, aber er wagte es nicht.
    Sie klammerte sich an seine Rechte und drückte sie. »Ich habe Angst um Florence. Eine Angst, die mir der Herr nicht nehmen kann.«
    »Ich verstehe. Du denkst, dass der alte Comte der Vater von Florence ist und er jeden Zeugen zum Schweigen bringen möchte.«
    »Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er etwas damit zu tun hat«, sagte sie.
    »Dass die Familie de Morangiès etwas damit zu tun hat«, verbesserte er. »Ein solches

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