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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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abbiegen.«
    »Ist es nicht. Es nutzt nur das Optimum.«
    Lena suchte eine Brücke neben der Promenade, entdeckte jedoch keine. »Wo wollen Sie denn bitteschön links abbiegen?« Menschen, geparkte Autos, Ampeln flogen am Seitenfenster vorbei, der Cayenne hatte einhundert Stundenkilometer erreicht, der Motor orgelte glücklich und blies nur so den Sprit durch die Einspritzpumpen. Lena klammerte sich am Seitengriff fest. »Eric, da ist nichts!«
    »Wollen wir wetten?«
    »Eric!«
    »Jetzt links abbiegen.«
    E jagte in halsbrecherischer Fahrt hinüber auf die Gegenfahrbahn, kreuzte den Verkehr und schoss über die Promenade hinweg die Stufen hinab auf eine Anlegestelle am Kanal zu. »Da ist doch unsere Ausfahrt.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst«, wisperte sie.
    »Nach fünfzig Metern rechts abbiegen.«
    Die Räder rumpelten über die Stufen nach unten, Eric und Lena wurden durchgeschüttelt, bis der Porsche auf die Holzbohlen des Stegs gelangte und mit einhundert Sachen auf das Ende zuschoss.
    Eric ließ den Cayenne fliegen.
    Lena schrie auf.
    Federnd landete der Geländewagen nach seinem knappen Sprung von zwei Metern auf dem dicken Eis im Kanal, hopste ein paar Mal und schlingerte.
    »Achtung, jetzt rechts abbiegen.«
    Millimeter vor der Seitenwand des Kanals fing Eric das kreiselnde Fahrzeug ab, hielt kurz an und gab dann wieder Gas. Im Rückspiegel sah er, dass die russischen Polizeiautos auf eine ebenbürtige Stunteinlage verzichteten, sondern oberhalb der Stufen auf der Promenade stehen blieben.
    »Sie sind vollkommen verrückt«, keuchte Lena und wischte sich das Blut von der Unterlippe. Sie musste sich draufgebissen haben, als der Anschnallgurt ruckartig angeschlagen und die Vorwärtsbewegung ihres Oberkörpers abgefangen hatte.
    »Nur weil ich auf eine Frau höre?«, sagte er grinsend und folgte den Anweisungen der weiblichen GPS-Stimme, die sie bald aus dem Gewirr der vereisten Kanäle lotste, wo sie nicht erwartet wurden. Sie hatten die Polizei abgehängt.
     
    Nachdem sie Sankt Petersburg verlassen hatten, telefonierte Eric mit Anatol und erklärte, was geschehen war. Danach rief er selbst bei der Polizei an und meldete den Porsche als gestohlen.
    Lena verfolgte seine Aktionen zunächst schweigend. »Sie sind zu gut organisiert, um wahnsinnig zu sein, Eric«, sagte sie nachdenklich, als der Porsche den Waldweg zur Datscha entlang rollte und sich begeistert durch den Schnee wühlte. »Bin ich zwischen die Fronten von Geheimdiensten geraten oder so etwas?«
    »Könnte man glatt annehmen.« Eric erkannte das Dach des Holzhauses und beschleunigte noch einmal. Er wollte sich endlich die Unterlagen anschauen, um etwas über den Tod von Nadolny herauszufinden.
    Der Porsche wurde so geparkt, dass sie sofort mit ihm flüchten konnten, dann stapften sie durch den Schnee zum Eingang.
    Es war eisig kalt, die Temperaturen lagen kaum höher als im Freien, aber glücklicherweise fehlte der Wind. Eric entfachte ein großes Feuer im Kamin; die Wärme breitete sich rasch aus, vertrieb die Kälte und taute die Eisblumen von den Fenstern.
    »Möchten Sie auch einen Tee?« Eric stand mit einem Kessel an der Tür, um Schnee zu holen. Die altertümliche Pumpe funktionierte bei diesen Temperaturen nicht.
    Lena hatte die Mütze abgesetzt, und ihr schulterlanges Haar hing nun offen herab. Sie nickte und machte sich nützlich, indem sie den Herd in der Küche befeuerte.
    Eric betrachtete sie und fand ihre Vorgehensweise sehr geschickt. »Man merkt, dass Sie sich oft im Freien herumtreiben.«
    Sie warf einen Blick über die Schulter. »Weil ich weiß, wie man ein Feuer anbekommt?« Lena strich sich lächelnd eine Strähne hinters Ohr, und Eric wurde mit einem Mal in ihren Bann geschlagen. Es hatte nichts mit der Begierde zu tun, die ihn so regelmäßig überfiel und dazu trieb, hübschen Frauen nachzustellen, um sie für eine Nacht zu besitzen und danach zu vergessen. Das hier war … anders. Ein warmes, prickelndes Gefühl im Magen, das hinauf in seinen Kopf zog und das er in dieser Form nicht kannte. Und das er ganz sicher nicht gebrauchen konnte, weil er genau wusste, dass es ihn und sie in Schwierigkeiten brachte, wenn er ihm erlag. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Gefühle waren für ihn wie Ketten. Und er hasste Ketten.
    Eric nahm sich das kleine Fläschchen aus dem Regal, das hier wie in allen Unterkünften seiner Familie bereitstand, und verließ schnell die Hütte. Hastig drehte er den Verschluss auf, ließ drei Tropfen auf

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