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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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wärmen. »Sie machen mir Angst.«
    »Nadolny ist die Bestie von Petersburg, wegen der ich hergereist bin. Er hat zwei unschuldige Kinder getötet und zerfleischt. Er wurde von der Bestie in Kroatien gebissen und infiziert.« Eric schlug mit der Faust auf den Tisch, Lena schrak zusammen. »Oh, ich weiß jetzt, was sie beabsichtigte! Ich weiß es! Sie hat ihn laufen lassen, um von sich selbst abzulenken. Sie wusste, dass er mit seiner neuen Kraft und seinen Gelüsten nicht umgehen kann und Aufmerksamkeit erregen würde«, erklärte er leidenschaftlich weiter. Er packte sie bei den Schultern, vor Aufregung drückte er fest zu. Zu fest. »Verstehen Sie, Lena? Dieses Vieh sitzt in Kroatien und verhält sich aus irgendeinem Grund still. Es bereitet sich auf etwas vor. Verstehen Sie?«
    »Das heißt, diese Leute in seiner Wohnung wussten, dass er ein Werwolf ist, und wollten ihn töten? Wie Sie?«
    Eric nickte begeistert. »Ja! Ja! Vermutlich. Nadolny ist nicht aus dem Fenster geworfen worden, er ist gesprungen. Er wollte vor den Jägern flüchten!« Er löste seine Hände von ihr, seine Augen richteten sich auf das Bild der Bestie. »Hören Sie, Lena, die Welt steckt voller …«
    Weiter kam er nicht. Lena riss ihr Pfefferspray aus der Tasche und traf ihn mitten ins Gesicht. »Tut mir Leid, Eric, aber Sie sind wahnsinnig!« Danach trat sie ihm mit aller Kraft zwischen die Beine, raffte die Unterlagen hastig zusammen und lief zur Tür. Der Schlüssel des Porsche steckte in seiner Jacke, die neben dem Ausgang hing; ein Griff genügte. Sie rannte hinaus.
    Der Cayenne sprang sofort an, sie trat das Gaspedal durch und folgte den Reifenspuren, die der Wagen auf der Hinfahrt hinterlassen hatte. Lieber wurde sie von der Polizei wegen Autodiebstahls verhaftet als länger bei dem gut aussehenden, aber leider geistesgestörten Lebensretter zu bleiben.
    Wieso konnte sie nicht einmal einem Mann begegnen, der so natürlich und normal war wie die Wölfe, mit denen sie die meiste Zeit verbrachte?

XI.
KAPITEL
    24. Mai 1765, Malzieu, S üdfrankreich
     
    Vier Monate waren vergangen. Das Morden ging weiter. Die Bestie hatte mehr als dreißig Opfer gefordert. Keinem Jäger und keinem Soldaten gelang es, sie zu töten, und das, obwohl sie sich immer wieder den Menschen zeigte. Sie schien sich über ihre Verfolger lustig zu machen.
    Jean Chastel und seine Söhne trafen Virgilijus Malesky seit dem gemeinsamen Jagderlebnis immer öfter. Gelegentlich beschlich den Wildhüter der Verdacht, der Moldawier verfolge sie bei ihrer Wanderschaft quer durch die blühenden Graslandschaften des Gevaudan, durch Haine und Wälder. Sobald sie dachten, sie hätten ihn abgehängt, wartete er auf wundersame Weise im nächsten Dorf. Doch Malesky freute sich jedes Mal so ehrlich über das Wiedersehen, dass sie ihr Misstrauen ihm gegenüber zwar nicht gänzlich verloren, es aber nach Möglichkeit zu unterdrücken versuchten. Malesky jagte wie sie die Bestie. Im Gegensatz zum erfolglosen Duhamel und dessen Nachfolger Denneval hatte er jedoch begriffen, dass man Einheimische und deren Wissen über die Region benötigte, um die Bestie zu finden. In den Fußstapfen der drei Männer rechnete er sich daher wohl die größten Erfolgschancen aus.
    Keinen der drei Chastels erstaunte es daher, dass sie den Moldawier in Malzieu wieder sahen und er sie direkt ansprach, als sie durch die von feiernden Menschen bevölkerten Straßen des Orts an ihm vorübergingen.
    » Bonjour, meine Freunde«, grüßte er sie überschwänglich und orderte an dem Stand, an dem er sich befand, drei zusätzliche Becher Wein. »Wir sind gerade rechtzeitig gekommen. Die guten Leute hier feiern ein Frühlingsfest.« Er reichte ihnen die Gefäße und bezahlte den Wirt. Sie stießen an. »Unter uns: Welcher Ort wäre passender für die Bestie? Eine solche Auswahl an Mädchen und Kindern findet sie kaum mehr.« Er blinzelte über den Rand des Zwickers hinweg. »Das Schicksal hat uns hier vereint, um sie vorher zu stellen und endlich zu töten.«
    Pierre seufzte und nippte an seinem Wein. Jean trank zwar einen langen Schluck, stellte das Gefäß dann aber zu Seite. Nur Antoine leerte den Becher auf einen Zug, lachte und bestellte sich noch einen.
    »Habt ihr die Geschichte der armen Gabrielle Pelissier gehört? Die Bestie hat ihr den Kopf erst abgerissen und später wieder auf den Stumpf gesetzt.« Malesky schaute über den Rand seiner blauen Augengläser. »Natürlich erst, nachdem sie das Blut des

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