Ritus
würde unter einem Bündel Heu zusammenbrechen.«
Malesky gab nicht auf. »Wen kümmert das? Vielleicht ist sie eine gute Partie, Monsieur Chastel, und brächte Geld in die Hütte Eures Sohnes. Wie kam sie ins Kloster? Hatte sie eine Mitgift dabei?«
»Sie kommen niemals zueinander, und nun kein Wort mehr darüber«, knurrte der Wildhüter unwirsch.
Schweigend folgten sie der Spur weiter querfeldein. Sie liefen über Felder, verließen die Grenzen von Malzieu und gelangten schließlich in die Nähe des Dorfes Amourettes.
Als sie die entsetzten Schreie vor sich hörten, ahnten sie, dass sich an diesem Tag eine weitere Tragödie ereignet hatte. Als sie näher kamen, erkannten die Jäger zwei weinende Mütter; sie schrien unaufhörlich und vollkommen unverständlich. Eine hielt ein blutiges, zerrissenes Hemd in die Höhe und drückte es an sich, als sei es ihr Kind.
»Weiter«, peitschte Jacques Denis die Gesellschaft an, weil einige stehen zu bleiben drohten, um sich um die verstörten Frauen zu kümmern, und hetzte an ihnen vorbei. »Wenn wir nicht auf ihrer Fährte bleiben, werden sie nicht die letzten Mütter sein, die um ihre Kinder weinen.«
Malesky schaute bedauernd zu den Frauen, die am Rand des Kornfelds niedersanken und den Verlust mit noch mehr Wehklagen betrauerten. »Mein Gott«, raunte er ergriffen und zwang sich dazu, seinen Blick auf die unebene Straße zu richten, um nicht zu stolpern und zu stürzen. »Warum nur lässt du das zu?«
Einige Männer aus Amourettes stießen zu ihrer Gruppe und ersetzten diejenigen aus Malzieu, denen die Kräfte versagten. Die Jagd auf die Bestie wurde zu einer Stafette, die sich nach einer Viertelstunde der Gegend bei Mazet näherte.
Die Bestie hinterließ ihren Häschern die nächste Spur. Mitten auf dem ausgefahrenen Weg fanden sie die furchtbar zugerichtete Leiche eines Mädchens von höchstens dreizehn Jahren; um sie herum verstreut lagen ein großer Weidenkorb, Brot, eine verbeulte Blechkanne und leere Tassen. Vermutlich hatte das Kind die Reste einer Feldarbeitermahlzeit nach Hause zurückbringen wollen, als es von der Bestie angefallen und mit Bissen in den Hals und ins Gesicht getötet worden war. Wieder hatte die Kreatur die Bauchdecke des Opfers aufgeschlitzt und die Gedärme herausgezerrt; wegen der Verfolger hatte sie jedoch erneut auf das große Fressen verzichten müssen.
Der selbst für einen Soldaten kaum erträgliche Anblick brachte vier der Männer dazu, sich laut würgend zu übergeben. Einer brach ohnmächtig zusammen.
»Sie lockt uns direkt in eine Falle«, prophezeite ein Bauer aus Amourettes unsicher. »Wir sollen ihr folgen, und irgendwo in einem Wald greift sie sich einen nach dem anderen von uns.« Er wich zurück. »Niemand wird mich zwingen, diesem Dämon zu folgen, nicht ohne einen Priester dabei zu haben, der uns vor dem üblen Zauber beschützt.«
»Reißt Euch zusammen, Monsieur«, sagte Malesky, der selbst deutlich blass um die Nase geworden war. Er versuchte nichtsdestotrotz, die Moral aufrechtzuerhalten. »Monsieur Chastel und ich haben unsere Musketen dabei, wir sind erfahren genug, um es mit ihr aufzunehmen. Und Monsieur Denis steht in den Diensten des erfahrenen Wolfsjägers Denneval.« Suchend schaute er sich nach dem Sechzehnjährigen um, entdeckte ihn aber nirgends. »Monsieur Denis?«
Einer der Bauern deutete nach rechts. »Da läuft er! Er folgt den Hunden! Es geht nach Marcillac!«
»Verfluchte Ungeduld!« Jean, schweißnass und durstig, rüttelte seine letzten Kräfte wach, um dem jungen Mann nachzusetzen, der in seinem Racheverlangen keinen Blick mehr für die Gefahren dieser Jagd besaß. Allein würde er schneller ein Opfer des Loup-Garou, als ein Halm unter einem Stiefel brach.
Noch wagte es keiner der Männer aus Amourettes und Malzieu, es den beiden nachzutun. Die unbedachten Worte vom Zauber, den die Bestie beherrschte, hatten sie nachdenklich und furchtsam werden lassen; der Zorn über die heimtückischen Morde war nicht mehr die alles überlagernde Kraft in ihrem Verstand.
Malesky wischte sich den salzigen Schweiß aus den blauen Augen; dunkle Flecken auf dem Rücken, der Brust und unter den Armen des Gehrocks zeigten, dass sich der Moldawier beinahe völlig verausgabt hatte. Doch er dachte nicht ans Aufgeben und schaute Jean und Jacques hinterher.
»Zu zweit sind sie der Bestie unterlegen!«, appellierte er an die Menge, lief ein paar Schritte und drehte sich dann noch einmal um. »Worauf wartet ihr?
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