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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sie grob hinaus, ehe sie sich doch zu einem Angriff verleiten ließen. So schnell sie konnten, eilten sie zum Montchauvet, um sich an der Treibjagd zu beteiligen und nicht noch mehr Verdacht auf sich zu lenken.
     
    Die Chastels hatten sich auf einen großen Granitfelsen gesetzt, um die Gegend am Fuß des beeindruckenden Berges und den Saum eines dichten Waldes, der sich den Montchauvet hinauf erstreckte, besser zu überblicken. Oberhalb der Baumgrenze sah man steinübersäte, karge Wiesen voller Ginsterbüsche. In einiger Entfernung erhoben sich die schroffen Gipfel des Montmouchet und des Montgrand. Die Jagd zog sich. Gelegentlich hörten sie das Krachen von Musketen, die Echos grollten aus Schluchten hervor und kehrten verspätet von den Berghängen zurück.
    »Es ist erstaunlich, dass es überhaupt noch Wölfe gibt, die man erlegen kann«, sagte Pierre und lauschte. »De Beauterne hat ihnen allen im Namen des Königs den Krieg erklärt.«
    »Es ist schlecht, dass de Beauterne dieses Gebiet ebenfalls als Quartier der Bestie ansieht«, erwiderte Jean und drehte den Kopf zu Antoine, der sich zu einem Schläfchen ausgestreckt hatte, den Dreispitz ins Gesicht gezogen. »Dein Treiben lockt ihn an.«
    »Mein Treiben? Pierre hat ebenso Schuld wie ich«, antwortete er gedämpft, und sie konnten hören, dass er dabei grinste. Ihn kümmerte es immer weniger, dass er Menschen grausam tötete und verstümmelte.
    Jean schlug ihm wütend den Hut herunter. »Wir werden Surtout opfern.«
    Antoine richtete sich ruckartig auf, die Augen funkelten. »Was?«
    »Es ist die beste Erklärung und wird de Beauterne zufrieden stellen. Wir geben ihm eine Bestie, die ohnehin von allen verdächtigt wird.« Jean hatte sich den Schritt lange überlegt. »Danach werde ich dich wegbringen, bis ich die wahre Bestie erlegt habe.«
    »Niemand von euch beiden wird Surtout anrühren«, grollte Antoine. »Ich lasse es nicht zu. Er wird nicht euer Sündenbock sein.«
    Das Geräusch von schnellem Hufschlag ließ die drei Männer aufblicken. Sie sahen einen Reiter, der sich von Westen her ihrem Aussichtspunkt näherte. Es war das erste Mal, dass Jean ihn aus der Nähe sah: Jean-François-Charles Comte de Morangiès, sechsunddreißig Jahre alt, gut aussehend und noch besser gekleidet. Er war der Sohn des alten Comte, der im Gegensatz zu seinem Spross höchstes Ansehen genoss.
    Jean wusste, dass er Offizier gewesen und unrühmlich aus der Armee entlassen worden war. Seitdem sorgte er mit seinem Verhalten dafür, dass der gute Name seiner Familie in Verruf geriet. Frauen, Glücksspiele jeder Art, auch mal ein Duell, wenn ihm der Sinn danach stand. Mal war er im Gevaudan, mal in Paris.
    Er zog vor dem wesentlich jüngeren Mann den Hut. »Bonjour, seigneur.«
    De Morangiès, einen modischen Dreispitz auf der Weißhaarperücke, hatte seine Muskete lässig geschultert und nickte knapp. »Ich grüße euch, Messieurs. Hattet ihr Erfolg?«
    Antoine grinste ihn vertraut an, als handelte es sich bei dem Adligen um einen Saufkumpanen. »Nein, Seigneur.« Er pfiff laut, und aus dem Gebüsch brach Surtout unmittelbar neben dem Comte hervor.
    Jean hielt die Luft an. Der Mastiff betrachtete normalerweise alles – außer seinem Herrn – als Bedrohung, auf die er sich gerne warf. Doch zu seiner Überraschung schaute Surtout nicht einmal hoch. Er setzte sich neben den Stein und hechelte.
    »Schade, schade«, sagte de Morangiès mit gespieltem Bedauern. »Da hat des Königs Wunderjäger wieder einmal versagt. Das wird den Hof sicher interessieren. Noch immer sterben die Leute, gemetzelt von der Bestie, die ihren Opfern inzwischen sogar die Kleider auszieht und am Wegesrand verstreut. Wenn ihr mich fragt, jagen wir einen Dämon und keinen Wolf.« Er hob den Kopf, die Augen richteten sich auf die Hänge des Montchauvet. »Scheint, als sei es für heute vorüber, Messieurs.«
    Jean folgte dem Blick des Comte und erkannte, dass Treiber die steinigen Wiesen herabkamen. Sie schleppten zwei dürre Wölfe mit sich, mehr Ausbeute hatte es nicht gegeben. Zu wenig, um die Menschen zu beruhigen.
    »Monsieur Chastel«, sagte de Morangiès freundlich an Antoine gewandt, »seid so nett und bringt mir in den nächsten Tagen einige Eurer Welpen auf mein Schloss nach Villefort. Ich suche wieder Hunde, die etwas taugen.«
    »Sehr wohl, Seigneur.« Antoines Grinsen wich nicht.
    »Sehr schön.« De Morangiès wendete sein Pferd. »Richtet de Beauterne einen schönen Gruß von mir aus. Ich werde

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