Ritus
Buße, und der Herr nimmt die Geißel von uns«, schnaufte er zum Abschied und ging.
Malesky schüttelte das graue Haupt und nahm den Zwicker von der Nase. »Nein, der war nicht lustig, nur sehr theatralisch. Wir hatten schon Bessere hier.« Er kostete von dem Landwein, den der Wirt ihm gebracht hatte. »Bedenkt man, dass die Bestie seit mehr als einem Jahr ihr Unwesen treibt, kann man es den Menschen nicht verdenken, an Übernatürliches wie Dämonen und Geister zu glauben.« Amüsiert beobachtete er, wie einer der Spieler sich bückte und nach den Karten am Boden griff, ihn sein Freund aber mit einem Wink davon abhielt. Niemand wollte dafür verantwortlich sein, dass die Bestie nach Saugues kam.
Maleskys Worte wurden am Nachbartisch dankbar aufgenommen. »Wenn Ihr mich fragt, ist es kein Loup-Garou und auch kein Wolf. Es sind Druiden, die das tun! Sie opfern einem alten Gott, und dann schieben sie’s den Wölfen unter«, sprach ein Mann in einfacher Kleidung voller Überzeugung. »Ich habe vorgestern Nacht selbst gesehen, wie sich ein paar Vermummte bei den alten Menhiren herumtrieben. Gott möge sie für ihre Taten strafen.«
»Druiden? Wahrlich, das ist eine Variante, die ich noch nicht kenne. Ich wusste nur von den Hexen, die sich auf den Gipfeln der Drei Berge treffen. Die Pfarrei von La Besseyre ist ja berühmt für ihre Hexer und Hexen.«
Jean verzog den Mund. Auch wenn es der Moldawier nicht beabsichtigt hatte, wurde der Name Chastel damit wieder ins Gespräch gebracht. Er, der Sohn einer Hexe.
Malesky nahm ein Bündel Zeitungen aus seinem Rucksack, teilweise waren sie alt und zerrupft, andere sahen sehr neu aus. »Es hat mich ein Vermögen gekostet, den Boten zu bezahlen, der mir die Gazetten aus Bordeaux hierher brachte, aber sie sind unterhaltsam. Sie machen unsere Bestie berühmt.«
Sofort wurde er aufgefordert, etwas aus den Blättern vorzulesen.
Malesky räusperte sich. »La Gazette de France schreibt von einer Frau aus Rouget, Jeanne Jouve, die mit ihren drei Kindern in ihrem Garten angegriffen wurde. Man stelle sich vor, wie sie ihre Kinder aus dem Maul und den Fängen des Tiers zerrte, vor allem das Jüngste wurde immer wieder von dieser Bestie angegriffen. Als sie zu unterliegen drohte, kam ein Schafhirte, der das Tier mit dem Kind im Maul sah, angerannt, und stach mit seinem Spieß auf die Bestie ein.« Die Menschen um ihn herum hingen gebannt an seinen Lippen, es war mucksmäuschenstill geworden. »Sie sprang über eine kleine Weidemauer und hielt ihr armes Opfer immer noch zwischen den Zähnen, aber der Hund des Schafhirten verfolgte sie. Die Bestie ließ das Kind fallen, drehte sich um und versetzte dem Hund einen Stoß, dass er mehrere Schritte weit durch die Luft flog, danach ergriff sie die Flucht.« Er blätterte um. »Der Hirte erhielt vom König für seinen Mut eine Belohnung von dreihundert Livres.«
»Bravo!«, rief der Wirt. »Tapferer Mann.« Er schaute zu dem Gast, der behauptet hatte, dass Menschen hinter den Morden steckten. »Wie erklärst du dir das?«
» Das war ein Wolf«, sagte der Mann beleidigt. »Aber die anderen Morde, das waren Menschen.«
»Und auf was haben die Brüder Chaumettes zwischen Rimeize und Saint-Chely geschossen, als sie einen Hirten davor bewahrten, zerrissen zu werden? Auf einen Mann im Wolfspelz?«, hakte ein anderer nach. »Zwei Schüsse, aber das Tier stand wieder auf, und einen Tag danach tötete die Bestie ein junges Mädchen bei Venteuges.« Er stieß die Luft aus. »Ich sage, es ist ein Loup-Garou.«
»Wer weiß? Der English Saint James’ Chronicle vermutet, es mit einer neuen Spezies zu tun zu haben, die aus den Höhlen der Berge kommt.« Malesky deutete auf einen Artikel. »Wie auch immer, die anhaltenden Morde sind der Grund, weshalb wir nun an Stelle der glücklosen Dennevals den Lieutenant der königlichen Jagdabteilung, Monsieur Francois Antoine de Beauterne, im Gevaudan sitzen haben.« Er schaute zu Jean. »Er soll der beste Schütze im Königreich sein.«
»Aber geändert hat sich nichts. Er reitet in seinen hübschen Gewändern und mit seiner Entourage durch die Gegend und macht Landschaftsskizzen, anstatt die Bestie zu jagen«, empörte sich die Frau des Wirts hinter dem Tresen.
Jean schwieg weiterhin. Als die Dennevals, die ihm mit ihren unentwegten Fragen über seine Familie gefährlich nahe kamen, durch de Beauterne abgelöst wurden, hatte er Erleichterung verspürt. Es war ein offenes Geheimnis, dass der junge Comte gerne
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